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Ordnungszahl 120

Ordnungszahl 120

Titel: Ordnungszahl 120
Autoren: K. H. Scheer
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Drü­ben, mehr als hun­dert Me­ter ent­fernt, wuch­sen die Ti­ta­nen­mau­ern des Zen­tra­le­turms in den blau­en Som­mer­him­mel. Wir nann­ten ihn »Vam­pir­turm«. Dort gab es kei­ne Fens­ter­öff­nun­gen; so­gar die An­saug­schäch­te für die Kli­ma­an­la­gen wa­ren un­ter­ir­disch an­ge­legt. Ehe die Fri­schluft­mas­sen den rie­si­gen Turm­bau er­rei­chen konn­ten, pas­sier­ten sie zahl­rei­che Si­cher­heits- und Kon­troll­sta­tio­nen, wo sie auf ih­re che­mi­sche Be­schaf­fen­heit un­ter­sucht wur­den.
    Der An­blick mach­te mir klar, daß ich mich wie­der ein­mal in der wis­sen­schaft­li­chen Fes­tung ei­ner Po­li­zei­or­ga­ni­sa­ti­on be­fand, die ein­zig­ar­tig war und nicht über­trof­fen wer­den konn­te.
    Drau­ßen, jen­seits der Mau­ern aus Stahl­be­ton, lag Wa­shing­ton. Doch da­von war von hier aus nichts zu se­hen. Ich er­blick­te je­doch die krei­sen­den Ra­dar­an­ten­nen der Luftrau­m­über­wa­chung.
    Seit dem Be­ste­hen der GWA war es noch kei­nem un­will­kom­me­nen Be­su­cher ge­lun­gen, in das Haupt­quar­tier ein­zu­drin­gen. Es war ei­ne Fes­tung, die über die mo­d­erns­ten Ab­wehr­waf­fen des Jah­res 2002 ver­füg­te.
    Ich schritt lang­sam durch den Lehr­saal und be­trat den kreis­för­mig an­ge­leg­ten Gang, der um das run­de Ge­bäu­de führ­te. Es war nur ein klei­nes, drei­stö­cki­ges Haus, das zwi­schen den ge­wal­ti­gen Be­ton­klot­zen des Haupt­quar­tiers stand und kaum ge­si­chert war. Hier gab es kei­ne Ge­heim­nis­se. Des­halb hat­te man sich so­gar da­zu ent­schlos­sen, den Rund­bau mit nor­ma­len Fens­tern zu ver­se­hen.
    Die glä­ser­nen Türflü­gel glit­ten au­to­ma­tisch vor mir auf, als ich den un­sicht­ba­ren Kon­takt­strahl durch­schritt. Vor mir la­gen die wun­der­vol­len Grün­an­la­gen mit dem neu­en Frei­luft­schwimm­bad, das zur Er­ho­lung und Ent­span­nung je­ner GWA-Schat­ten diente, die von ei­nem le­bens­ge­fähr­li­chen Ein­satz zu­rück­ge­kom­men wa­ren.
    Ich sah ei­ni­ge Män­ner; al­ler­dings konn­te ich nur ih­re Kör­per ein­wand­frei un­ter­schei­den. Die Ge­sich­ter wa­ren un­ter den un­glaub­lich na­tür­lich wir­ken­den Mas­ken ver­bor­gen, wie es die Vor­schrift ver­lang­te. Ich durf­te nicht ein­mal mei­ne ei­ge­nen Ka­me­ra­den rich­tig ken­nen­ler­nen.
    Ich ging da­her nur stumm grü­ßend an den Män­nern vor­bei, die nur einen kur­z­en Bück auf mei­ne blauschwar­ze Uni­form mit den Rang­ab­zei­chen ei­nes Cap­tains war­fen. Der Dienst­grad war al­les, was sie über mei­ne Per­son wis­sen durf­ten. Das hielt Ge­ne­ral Re­ling, der Chef der GWA, schon fast für zu­viel.
    Ich be­merk­te, daß ei­ner der Män­ner von zwei Ka­me­ra­den ge­stützt und vor­sich­tig in das er­fri­schen­de Was­ser ge­lei­tet wur­de. Vor Wo­chen muß­te sei­ne lin­ke Hüf­te ei­ne ein­zi­ge Wun­de ge­we­sen sein. Deut­lich konn­te ich die Kle­be­stel­len der dem Schwer­ver­letz­ten ein­ge­setz­ten Ge­we­be­plas­tik er­ken­nen. Was moch­te er er­lebt ha­ben? Bei wel­chem Ein­satz war er der­art ver­wun­det wor­den?
    Ich wuß­te es nicht und wür­de es nie­mals er­fah­ren. Die Er­ho­lungs­su­chen­den vor mir ahn­ten auch nicht, was ich bei je­nem Ein­satz er­lebt hat­te, der un­ter der Tarn­be­zeich­nung »Kom­man­do­sa­che HC-9« in das Ro­bo­tar­chiv der GWA ein­ge­gan­gen war.
    Wir wa­ren ein ein­zi­ges, großes Ge­heim­nis. Drau­ßen, un­ter nor­ma­len Men­schen, nann­te man uns »Schat­ten«, oder »Schat­ten­we­sen«. Nie­mand war ge­nau über die rie­si­ge Or­ga­ni­sa­ti­on der »Ge­hei­men-Wis­sen­schaft­li­chen-Ab­wehr« ori­en­tiert. Doch das, was die Bür­ger wuß­ten, war schon ge­nug. Wir wa­ren die letz­te und ent­schei­den­de In­stanz für die Si­cher­heit des Lan­des und da­mit der west­li­chen Welt. Wir wa­ren die Män­ner, die einen har­ten Kampf hin­ter den Ku­lis­sen der Welt­öf­fent­lich­keit aus­foch­ten und die da­für mit Son­der­voll­mach­ten und Mit­teln aus­ge­rüs­tet wur­den, die atem­be­rau­bend wa­ren. Wir wa­ren so­gar dem US-Si­cher­heits­dienst und der Ge­hei­men
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