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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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Überhaupt gar kein bisschen gut. Bei unserer Klientel war ein makelloser Ruf entscheidend. Bei dem leisesten Verdacht auf eine linke oder grüne Gesinnung oder andere Befindlichkeitsstörungen würden die Leute mir nicht das Wertvollste anvertrauen, was sie im Leben besaßen: ihr Geld.
    Die Demonstration steuerte jetzt genau auf uns zu. Meine Mutter und mein Vater in der ersten Reihe. Etwas hinter ihnen entdeckte ich ein Schild, auf dem stand: Boykottiert Bogerts Best . Der Weg zu unserem Büro war bereits abgeschnitten. Ich ging hinter dem groß gewachsenen Bogert in Deckung und überlegte fieberhaft.
    »Hey«, sagte Höveler. »Dieses verrückte Pärchen da vorne kenne ich! Die wohnen in dem Ort, wo ich jetzt wohne. Das ist der Puff-Louie mit seiner Frau.«
    Ein Schauder lief mir über den Rücken.
    »Puff-Louie!«, lachte Bogert.
    »Witzig, was? Wie der richtig heißt, weiß ich überhaupt nicht«, stellte Höveler fest. »Bei uns im Ort wird er einfach nur Puff-Louie genannt.«
    Mein Vater hatte den Spitznamen Puff-Louie ?
    »Wie ist der denn zu dem Namen gekommen?«, fragte Bogert.
    »Der war letztes Jahr im Fernsehen, in so einer Schmuddelsendung«, sagte Höveler und betrachtete meinen Vater mit einem verächtlich-neugierigen Blick.
    »Sie meinen doch den mit dem Hut, oder?«, fragte Bogert.
    »Ja«, antwortete Höveler, »den mit dem Hut und dem Hund.«
    Oh mein Gott! Banjo. Natürlich! Er würde mich riechen, auch wenn ich mich hier hinter Bogert versteckte. Er würde mich bemerken, auf mich zurennen und meine Eltern mitziehen. Und dann: Gute Nacht, Moni, zukünftige Hill, Wertpapierspezialistin, Guten Tag, Puna Monday Steckelbach, Tochter von Puff-Louie, dem grünen Protestler!
    Ich musste hier weg! Aber wie?
    »Da wir ja sowieso warten müssen, bis der Spuk vorbei ist, wäre es doch eine gute Gelegenheit, Frau Steckelbach, wenn Sie Herrn Bogert schon mal eine kleine Kostprobe geben würden, was Sie ihm anzubieten hätten.« Mein Chef nickte mir aufmunternd zu.
    Verflixt und zugenäht. Was ich ihm anzubieten hätte? Keine Ahnung! Jedenfalls nicht jetzt. Die Demonstranten waren nur noch gute zwanzig Meter von uns entfernt. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Frau mit den fettigen Haaren und den zwei Kindern mich immer noch argwöhnisch beobachtete. Ich dachte gerade darüber nach, was sie wohl von mir wollte, und bemerkte zu spät, dass Bogert einen halben Schritt zur Seite trat und damit meine Deckung öffnete. Dann ging alles ganz schnell. Meine Mutter sah mich. Sie stieß meinen Vater an. Jetzt hatten mich beide entdeckt. Ich drehte mich ab.
    »Moni?«, erinnerte mich mein Chef an seine Anweisung.
    »Aber«, stammelte ich, »wir müssen hier weg. Was ist, wenn die Demonstranten Herrn Bogert erkennen?«
    Noch fünfzehn Meter. Meine Mutter winkte in unsere Richtung.
    Mein Chef schaute verwirrt. »Meint die mich?«
    Mein Vater ließ Banjos Leine los.
    »Das wird nicht passieren«, sagte Herr Bogert gelassen. »Ich lasse mich nie fotografieren, und deswegen kennt mich auch keiner.«
    »Darauf können wir uns nicht verlassen!«, rief ich panisch. »Schnell, Herr Bogert!« Ich packte ihn am Arm. »Hier entlang!«
    Der biestige Fettkopf mit den zwei Kindern kreischte: »Was? Das ist Bogert? Hey, habt ihr das alle gehört? Das ist Gunther Bogert, der Mann, der die Natur zerstört!«
    Sie holte ein iPhone aus dem wollenen Rock, und noch bevor Bogert flüchten konnte, hatte sie ihn fotografiert.

2
    Es dauerte keine zwei Stunden, da war das Bild online. Die Frau hatte genau in dem Moment geknipst, in dem ich Bogert durch einen Ruck aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Die ganze Selbstgefälligkeit war aus seinem Gesicht gewichen, das ebenso schief in der Luft hing wie er. Er sah verblüfft aus, so als ob ihn die Existenz von Problemen, die nicht mit Geld zu lösen waren, völlig überraschte.
    Das Einzige, was mich etwas beruhigte, war, dass wenigstens ich anonym bleiben würde. Von mir war zum Glück nur der Mantelärmel auf dem Foto zu sehen, wie ich auf der Facebook-Seite des Bürgervereins feststellen konnte. Auch auf Youtube war bereits ein Video von der Demo hochgeladen worden, in das das Foto von Bogert hineingeschnitten und mit düsterer Musik unterlegt worden war. In der Kombination wirkte er wie das größte Schwein des Universums. Mist.
    Wieso lebten die Naturschutzheinis von heute nicht mehr hinter dem Mond? Wenn sie erst umständlich Flugblätter hätten drucken und verteilen müssen, wäre mein
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