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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben
Autoren: Emma Flint
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schwarzen Hüte gekauft, wie sie die Frauen in den Anden trugen. Er stand meiner Mutter nicht schlecht, vor allem verdeckte er ihre neue auberginefarbene Fransenfrisur, die sie sich in einem übereilten Entschluss von ihrem Friseur hatte aufschwatzen lassen.
    Auch mein Vater war auf den Hut gekommen und hatte sich ein Indiana-Jones-Modell zugelegt, das er gerne mit seiner geliebten Lederjacke kombinierte. Immerhin verkniff er es sich, mit einer Peitsche rumzufuchteln. Mit seinen grau melierten kinnlangen Haaren, die er mit etwas Gel zurückkämmte, und seinem Bartensemble, bestehend aus einem gezwirbelten dunklen Schnurrbart und einem weißen Kinnbärtchen, sah er ein bisschen aus wie ein spanischer Edelmann. Allerdings hatte er sich in letzter Zeit etwas gehen lassen und einen ziemlich runden Bauch bekommen. Da er ansonsten immer noch recht schlank war, sah es jetzt so aus, als klammerte sich unter seinem Hemd ein dicker Koalabär an seiner Taille fest.
    Eine zierliche Frau im roten Poncho und ein großer beleibter Mann mit Hut – das konnten nur meine Eltern sein. Banjo entdeckte ich nun auch, der – zu meiner Erleichterung – an der Leine vor ihnen her lief. Jetzt konnte ich auch die Plakate lesen und entzifferte folgende Forderung auf dem Spruchband, das vornweg getragen wurde: Keine neue Landebahn . Das Plakat, das mein Vater trug, hatte die Aufschrift: Natur statt Beton!
    Meine Eltern auf einer Demo! Das war ja mal wieder ganz was Neues. Aber Überraschungen aller Art waren ihre Spezialdisziplin. Sie machten gerne aus allem ein Geheimnis, um dann ganz plötzlich mit einem neuen Hobby, einem neuen Outfit oder irgendeiner anderen wahnwitzigen Idee um die Ecke zu kommen und sich an den verwunderten Mienen ihrer Familie, Freunde und Bekannte zu ergötzen. Jetzt protestierten sie also gegen den geplanten Flughafenausbau.
    Der Flughafenausbau!
    Plötzlich wurde mir heiß. Sie dürfen mich hier nicht sehen, schoss es mir durch den Kopf. Oder anders gesagt: Ich durfte auf keinen Fall in dieser Situation mit meinen Eltern gesehen werden! Das würde sich gar nicht gut machen – weder bei unserer empfindlichen Klientel noch bei unserem reizbaren Chef. Zum Glück waren sie noch weit genug weg auf dem Platz, jenseits der dreispurigen Straße. Ich würde es schaffen, in mein Büro zu verschwinden, ohne dass ein zufällig vorbeischlendernder Kollege die verhängnisvolle Verbindung zwischen mir und den Demonstranten entdecken und weitertratschen konnte.
    Ich drehte mich um, um zu unserem Bürogebäude zu hasten, da trat ausgerechnet mein Chef aus einem Straßencafé. Er kniff wegen der Sonne die Augen zusammen, und ich dachte, ich könnte noch unbemerkt vorbeischlüpfen, da rief er schon: »Hallo, Moni!«
    Ich zwang mich stehen zu bleiben, obwohl alles in mir schrie: Lauf!
    Zacharias Höveler kam auf mich zu, leicht gebräunt und federnden Schrittes, ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen. Die Sonnenstrahlen reflektierten sich in seiner Armani-Sonnenbrille, die er in seinem kurzen, braunen Haar stecken hatte wie ein Krönchen. Er trug einen dunkelblauen Maßanzug. Das silberne Dreieck des akkurat gefalteten Einstecktuchs schimmerte auf seiner Brust wie ein Orden der Eleganz.
    Neben ihm ging ein großer, schlanker Mann mit aschblondem, kurzem Haar, deutlich lässiger gekleidet mit Jeans, kariertem Hemd und Cordjackett und mit dem entspannten Gesichtsausdruck eines Menschen, der bei niemandem einen guten Eindruck erwecken musste, da sein Bankkonto dies schon für ihn erledigte.
    »Moni, darf ich Ihnen unseren neuen Mandanten vorstellen, Herrn Gunther Bogert«, sagte Höveler mit dieser Stimme voll jovialen Selbstbewusstseins, das man haben muss, um Leute dazu zu bringen, ihr Vermögen in unsere Hände zu legen.
    Das war er also. Der neue Supermandant, den mein Chef schon seit Wochen umgarnte. Gunther Bogert, der schwerreiche Besitzer der Hotelkette Bogerts Best. Und Hauptinvestor des Flughafenausbaus.
    Ich gab ihm die Hand. »Schön, dass Sie Höveler & Wulf Ihr Vertrauen schenken«, sagte ich nervös.
    »Noch habe ich mich nicht entschieden«, erwiderte Bogert, ohne eine Miene zu verziehen. »Muss erst sehen, ob Sie mein Vertrauen verdienen.«
    In diesem Moment schwollen die Trillerpfeifen und Rasseln der Demonstranten zu einem Dröhnen an. Die Männer bemerkten jetzt auch den Protestzug, der sich anschickte, die dreispurige Straße zu überqueren, um auf den Bürgersteig zu gelangen – auf dem wir standen.
    »Das gibt es
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