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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Autoren: Andreas Gößling
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Fahrt zurückerinnern, dachte Amos, er würde sich wünschen, wieder in Ketten, geknebelt, mit verbundenen Augen umhergerüttelt zu werden.
    Angst flutete in ihm empor. Warum gerade ich?, dachte er. Wie kam diese Bruderschaft dazu, ihn und Klara wie Spielfiguren hin und her zu schieben – und jetzt auch noch sein Leben zu opfern, als ob er ein Schachbauer wäre, bei dem es nicht weiter drauf ankam? Ich will nicht sterben, dachte Amos, und ich habe schreckliche Angst vor den Schmerzen, die der Inquisitor Cellari mir zufügen wird, um alles aus mir herauszuquetschen, was ich über das Opus Spiritus weiß.
    Aber ich weiß nichts, ich weiß gar nichts. Ich weiß nicht einmal, warum Valentin Kronus, der Mann, den ich wie einen zweiten Vater verehrt und geliebt habe – warum er zugelassen hat, dass mich die Ketzer- und die Bücherjäger wie eine Meute blutgieriger Jagdhunde durchs Land hetzen. Warum nur, geliebter Herr, warum? Wenn Ihr am Leben seid, gebt mir ein Zeichen! So flehte Amos im Stillen, zum ungezählten Mal, seit er Valentin Kronus’ Haus in Flammen vorgefunden hatte. Die kostbare Bibliothek des alten Gelehrten von den Ketzer- und Bücherjägern niedergebrannt und von Kronus selbst keine Spur. Ausgenommen nur das Original des
Buchs der Geister
, das Kronus an einem Ort versteckt hatte, den außer ihm selbst nur Amos kannte. In diesem Buch hatte Kronus nach seinen eigenen Worten das kostbarste Wissen aus heidnischer Vorzeit destilliert und in vier Geschichten geborgen, die jedermann leicht lesen und verstehen konnte. Und die ebenso viele magische Gaben in all jenen Lesern erweckten, die sie mit wachem Geist und offenem Herzen lasen und zuinnerst in sich aufnahmen.
    Amos lauschte in sich hinein. Seit er die erste und die zweite Geschichte aus dem
Buch der Geister
gelesen hatte –
Vom Ritter,der seine Liebste hinter dem Spiegel fand
und
Von der Frau, die im Brunnen wohnte
–, konnte er mit jedem anderen Leser, der sich diese beiden Erzählungen gleichfalls zuinnerst angeeignet hatte, auf dem Gefühls- und auf dem Gedankenweg in Verbindung treten – ganz egal, wie weit sie räumlich voneinander entfernt waren. Er brauchte sich nur auf sein Innerstes zu konzentrieren, dann erblickte er dort einen geheimnisvollen Lichtquell – sein magisches Herz oder seinen »inneren Stern«, wie Kronus sich ausgedrückt hatte. Von diesem magischen Gestirn gingen Strahlen zu all jenen aus, die über die gleichen Fähigkeiten wie er selbst verfügten. Doch seit die Purpurkrieger des Inquisitors und die Bücherjäger der kaiserlichen Zensurbehörde Valentin Kronus’ Haus verwüstet hatten, war es Amos niemals mehr gelungen, mit dem alten Gelehrten Kontakt aufzunehmen. Was höchstwahrscheinlich nur eines bedeuten konnte – dass Kronus nicht mehr am Leben war.
    Er lauschte neuerlich in sich hinein. Ihre Kutsche hatte unterdessen offenbar den höchsten Punkt des steilen Anstiegs erreicht. Auf der anderen Seite der Kuppe ging es nun holterdiepolter wieder bergab. Klara , dachte Amos beschwörend, hörst du mich?
    In all der Zeit, die er im Kerker unter der Bischofsburg gesessen hatte, war es sein einziger Trost gewesen, dass nicht auch noch Klara in die Fänge der Inquisition geraten war. Sie hatte im allerletzten Moment fliehen können und sie hatte auch das
Buch der Geister
in Sicherheit gebracht. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte sie von morgens bis abends und auch noch die halbe Nacht hindurch auf magischen Wegen mit ihm Gefühls- und Gedankenbotschaften ausgetauscht. Sie hatte sogar vorgeschlagen, dass sie ihm ja auf dem Gedankenweg die dritte Geschichte aus dem
Buch der Geister
vorlesen könnte –
Vom Felsen, der ein Fenster war
. Aber Amos hatte nichts davon wissen wollen. Es war viel zu gefährlich – solange sie nicht zumindest ungefähr wussten, welche magischen Gaben die dritte und die vierte Geschichte in ihnen erwecken würden, so lange durften sie auf keinen Fall im
Buch der Geister
weiterlesen. Und bis dahin durften sie auch die Fähigkeiten, die in ihnen bereits wach geworden waren, nur möglichst selten einsetzen.
    Seit Amos im Kerker zu sich gekommen war, hatte er deshalb nur ein paar Mal mit Klara Kontakt aufgenommen und auch das jedes Mal nur kurz. Er hatte ihr einen warmen Gefühlsstrahl geschickt, damit sie spürte, dass er noch am Leben war. Und dass er sie immer noch so sehr liebte wie an ihrem ersten Tag. Doch bevor sie ihn beschwören konnte, den Mut nicht sinken zu lassen, oder bevor sie
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