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Opferspiel: Thriller (German Edition)

Opferspiel: Thriller (German Edition)

Titel: Opferspiel: Thriller (German Edition)
Autoren: Niamh O'Connor
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Rohbauten in der Stadt, als die Wirtschaftskrise auch Irland traf. Stahlkabel ragten noch aus dem Beton. Hellblaues Plastikband flatterte lose, wo es sich von den PVC -Abdeckungen der Fenster und Türen gelöst hatte.
    Im achten Stock, auf einem ostwärts gelegenen Eta gen balkon, verfluchte Detective Inspector Jo Birmingham stumm den unfähigen Vorarbeiter, der pünktlich zu Feier abend den Hammer hatte fallen lassen, ehe ein Schutzgeländer errichtet worden war. In null Komma nichts würde der Boden hier total schlüpfrig werden. Jo fuhr sich mit den Fingern durch ihre blond gesträhnten, im Nacken kurz ge schnittenen Haare und machte noch einen Schritt vorwärts. Dort hockte ein kleines Mädchen mit zusammengekniffenen Augen auf der geländerlosen Kante, an der Hand gehalten von einem Mann in dreckigen Turnschuhen mit offenen Schnürsenkeln. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor.
    »Ich will nach Hause«, sagte das Kind.
    »Wir gehen ja nach Hause, Amy«, antwortete der Mann.
    »Sir …«, rief Jo. Sie bewegte sich steif und mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Lassen Sie Amy zu mir kommen, damit wir beide uns unterhalten können …«
    Er warf einen hastigen Blick über seine Schulter.
    Ein krampfartiges, verwirrtes Schluchzen schüttelte Amys schmalen Körper. »Ich will zu meiner Mum.«
    »Die Schlampe will nichts von uns wissen, kapierst du das nicht?«, sagte der Mann.
    Amy rutschte aus, Kies stob auf, und plötzlich hing sie nur noch an seiner Hand, die Beine über dem Abgrund angewinkelt.
    Der Mann schoss nach vorne und zog sie schnell hinauf, bevor er einen vorwurfsvollen Blick auf Jo abschoss.
    »Verpissen Sie sich endlich!«, sagte er warnend.
    »Ziehen Sie sich zurück, Inspector, er ist kurz vorm Durchdrehen«, wies Detective Sergeant John Foxe sie über den Knopf in ihrem Ohr an.
    Jo sah rot. Sie hatte selbst zwei Söhne und dazu eine gescheiterte Ehe auf dem Buckel. Die Vorstellung, dass ihr Exmann so einen Ausweg suchen könnte, um das letzte, selbstmitleidige Wort im Namen der Liebe zu haben … Ihr kam die Galle hoch. Dann riss sie sich zusammen und registrierte schnell die Auffälligkeiten.
    Sie sah, dass Amy seine Prinzessin war. Sie war ganz in Rosa gekleidet, hatte Schmetterlingsspangen in den Haaren und trug hübsche Söckchen mit Spitzenbund in ihren sauber glänzenden Lelli-Kelly-Sandalen, die sogar als »echte« Kopien beim Straßenhändler noch fünfzig Euro kosteten. Eher zu gut angezogen, wie für einen besonderen Tag.
    Unmerklich einen weiteren Zentimeter vorrückend, sagte sie: »Ich heiße Jo Birmingham, und Sie?« Nur noch knapp anderthalb Meter zwischen ihnen. Dicht genug, um zu erkennen, dass der Mann zitterte. Bitte lass ihn nicht auf Crack sein. Es war hoffnungslos, wenn er auf Crack war.
    »Dad heißt Billy«, antwortete Amy.
    Jo nickte ihr beruhigend zu. »Billy, ich weiß, dass Sie Amy sehr lieben. Sie ist ein wunderhübsches Mädchen. Sie müssen sehr stolz auf sie sein.«
    »Wir werden zusammen sein, genau wie früher«, sagte er wie zu sich selbst.
    Amy begann sich in seinen Armen zu winden. »Daddy, hör auf«, sagte sie.
    Durch ein Megafon tönte es von der Straße unten herauf: »Bitte bewegen Sie sich nicht. Sie könnten sonst hinunterfallen.«
    Jo atmete tief durch. Sie hatte sich schnell von dem Schreck erholt und tastete sich noch ein wenig vor. Ein Meter zwanzig Abstand noch. Amy wollte sich von ihrem Vater losreißen, der sie am Oberarm gepackt hielt.
    »Sie haben Amy immer beschützt, immer nur das Beste für sie gewollt.« Jos Ton wurde strenger. »Sie würden ihr niemals wehtun. Das wollen Sie ganz sicher nicht.«
    »Ich kann sie nicht allein zurücklassen.« Billy keuchte vor Anstrengung. »Sie braucht mich. Sie würde es nicht verkraften, wenn mir etwas zustößt.«
    Jo drehte sich der Magen um. »Haben Sie schon mal gehört, wie ein Herz bricht, Billy?«, fragte sie.
    Keine Antwort.
    »Es beginnt ganz tief im Innern, man kann kaum unterscheiden, ob es ein menschlicher oder ein tierischer Laut ist. Wenn er dann herausbricht, klingt es wie ein lautes Nein …«
    »Nicht übertreiben, Inspector«, warnte es aus dem Ohrhörer.
    Aber Jo war noch nicht fertig. »Sie wollen sich umbringen, Billy? Schön, meinetwegen. Aber Amy möchte leben und später einmal eigene Kinder haben. Meinen Sie wirklich, Sie können da oben glückliche Familie spielen und ihr lieber Daddy sein, wenn Sie ihr das nehmen? Warum fragen Sie sie nicht selbst? Fragen Sie Amy, was sie
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