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Operation Zombie

Operation Zombie

Titel: Operation Zombie
Autoren: Max Brooks
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möglicherweise aufzurütteln, bevor das  »Gesundheitsministerium« eintraf. Es war etwas, das er sagte - ein Ausdruck, den er sehr lange nicht mehr benutzt hatte, nicht seit den »unbedeutenden«  Grenzstreitigkeiten mit der Sowjetunion. Das war 1969. Wir befanden uns in einem Erdbunker auf unserer Seite des Ussuri, keinen Kilometer flussabwärts von Tschen-Bao. Die Russen schickten sich an, die Insel zurückzuerobern und bombardierten unsere Streitkräfte mit massivem Artilleriefeuer. Gu und ich versuchten, Schrapnellsplitter aus dem Unterleib eines Soldaten zu entfernen, der nicht viel jünger war als wir selbst. Die Eingeweide des Jungen waren aufgerissen worden, sein Blut und seine Exkremente hatten unsere Kleidung von oben bis unten besudelt. Alle sieben Sekunden schlug ein Geschoss in unmittelbarer Nähe ein, dann mussten wir uns über ihn beugen. um zu verhindern, dass herabfallende Erde in die Wunde geriet, und dabei hörten wir ihn jedes Mal leise wimmernd nach seiner Mutter rufen. Auch andere Stimmen ertönten aus der völligen Schwärze unmittelbar vor dem Eingang zu unserem Bunker, Stimmen wütender Leute, die eigentlich gar nicht auf unserer Seite des Flusses sein sollten.  Wir hatten zwei Infanteristen am Bunkereingang stationiert. Einer von ihnen rief »Spetsnaz!« und feuerte in die Dunkelheit. Jetzt konnten wir andere Rufe hören, konnten aber nicht sagen, ob es ihre oder unsere waren.  Wieder schlug eine Salve ein, und wir beugten uns über den sterbenden Jungen. Gus Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Schweiß troff ihm von der Stirn. Selbst im trüben Licht der Paraffinlampe konnte ich sehen, dass er zitterte und blass war. Er sah den Patienten an, die Tür, dann mich, und plötzlich sagte er: »Keine Bange, es wird alles wieder gut.« Und das von einem Mann, der in seinem ganzen Leben nie etwas Positives gesagt hatte. Gu war ein Schwarzse her, ein notorischer Hypochonder. Hatte er Kopfschmerzen, dann war das ein Hirntumor; sah es nach Regen aus, dann war die diesjährige Ernte ruiniert. Auf diese Weise kontrollierte er eine Situation, das war sein Leben lang seine Strategie, stets die Oberhand zu behalten. Jetzt, da die Realität schlimmer aussah als seine schlimmsten Befürchtungen, blieb ihm keine andere Wahl, als die Strategie zu wechseln und eine Wendung um hundertachtzig Grad zu vollziehen. »Keine Bange, es wird alles wieder gut.« Zum ersten Mal kam alles so, wie er vorhergesagt hatte. Die Russen konnten den Fluss nicht überqueren, und wir schafften es sogar, unseren Patienten retten.

    Ich zog Gu noch jahrelang damit auf, was erforderlich war, damit er einmal nicht alles so schwarzsah, und er antwortete stets, es wäre sehr viel Schlimmeres erforderlich, damit er das noch einmal tun würde. Jetzt waren wir alte Männer, und etwas sehr viel Schlimmeres stand bevor. Es kam gleich, nachdem er mich gefragt hatte, ob ich bewaffnet wäre. »Nein«, antwortete ich, »warum sollte ich?« Es folgte ein kurzes Schweigen; ich war sicher, dass andere Ohren mithörten. »Keine Bange«, sagte er, »es wird alles wieder gut.« Da wurde mir klar, dass es sich hier nicht um einen isolierten Krankheitsausbruch handelte. Ich beendete das Gespräch und rief hastig meine Tochter in Guang-tse an.
Ihr Mann arbeitete für die chinesische Telekom und war mindestens eine Woche im Monat im Ausland unterwegs. Ich sagte ihr, es wäre eine gute Idee, ihn beim nächsten Mal zu begleiten, meine Enkeltochter mitzunehmen und dort zu bleiben, solange es ging. Ich hatte keine Zeit für Erklärungen; das Signal wurde in dem Moment gestört, als der Helikopter eintraf. Als Letztes konnte ich nur noch zu ihr sagen: »Keine Bange, es wird alles wieder gut.«
    [Kwang Jing-tschu wurde vom MSS festgenommen und ohne offizielle Anklage eingesperrt. Als er endlich fliehen konnte, hatte sich die Seuche längst über die Grenzen Chinas hinaus ausgebreitet.]

Lhasa, Volksrepublik Tibet

    [Die bevölkerungsreichste Stadt der Welt befindet sich immer noch im Freudentaumel nach den Wahlen der letzten Woche. Die Sozialdemokraten haben die Llamisten-Partei vernichtend geschlagen, auf den Straßen drängen sich die euphorischen Massen. Ich treffe mich mit Nury Televaldi in einem überfüllten Straßencafe. Wir müssen brüllen, so laut sind die Jubel- und Freudenrufe.]

    Vor dem Ausbruch der Krankheit war der Schmuggel über Landruten nicht besonders weit verbreitet. Die Beschaffung falscher Pässe, die Organisation
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