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Operation Zombie

Operation Zombie

Titel: Operation Zombie
Autoren: Max Brooks
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ich nicht die Polizei rufen würde. Schließlich erklärte sie, dass der Junge weinend und mit einer Bisswunde am Fuß aufgetaucht wäre. Sie wusste nicht, was passiert war, das Wasser sei zu dunkel und trübe gewesen. Seinen Vater sah man nie wieder. Ich griff nach dem Handy und wählte die Nummer von Dr. Gu Wen Kwei, einem alten Weggefährten aus Armeezeiten, der jetzt am Institut für Infektionskrankheiten der Universität von Tschungking arbeitete. Wir plauderten ungezwungen miteinander, unterhielten uns über unsere Gesundheit, unsere Enkelkinder; das gebot die Höflichkeit. Danach erzählte ich ihm von dem Krankheitsausbruch und hörte mir an, wie er ein paar Witze über das hygienische Verhalten von Hinterwäldlern machte. Ich versuchte, in sein Kichern einzustimmen, blieb aber dabei, dass dem Vorfall meines Erachtens eine gewisse Bedeutung beizumessen wäre. Fast widerwillig erkundigte er sich bei mir nach den Symptomen. Ich schilderte ihm alles: die Bisse, das Fieber, den Jungen, den Arm... Plötzlich wurden seine Gesichtszüge starr. Sein Lächeln verschwand.  Er bat mich, ihm die Infektion zu zeigen. Ich ging zurück in den Gemeinschaftssaal und hielt die Kamera des Telefons über jeden einzelnen Patienten. Er bat mich, die Kamera dichter über die Verletzungen selbst zu halten.  Ich gehorchte, und als ich den Bildschirm wieder vor das Gesicht hielt, stellte ich fest, dass sein Videobild abgeschaltet worden war. »Bleib, wo du bist«, sagte er, jetzt nur noch eine distanzierte, unpersönliche Stimme. »Schreib die Namen aller auf, die mit den Infizierten Kontakt hatten. Halte alle fest, die sich bereits infiziert haben. Wenn schon welche ins Koma gefallen sind, verlass den Raum, und verriegle den Zugang.« Seine Stimme klang tonlos, wie die eines Roboters, als hätte er diese Ansprache einstudiert oder würde sie irgendwo ablesen. »Bist du bewaffnet?«, fragte er mich. »Warum sollte ich?«, lautete meine Gegenfrage. Er sagte mir, wiederum völlig nüchtern, er würde sich wieder bei mir melden. Er sagte, er müsste einige Anrufe erledigen und ich sollte binnen weniger Stunden mit »Unterstützung« rechnen. Es verging nicht einmal eine Stunde, bis sie da waren, fünfzig Mann in großen Z-8A-Helikoptern; alle trugen Schutzkleidung. Sie sagten, sie kämen vom Gesundheitsministerium. Ich weiß nicht, wieso sie glaubten, sie könnten jemanden zum Narren halten. An ihrem forschen Auftreten und der einschüchternden Arroganz konnten selbst die hinterwäldlerischen Landeier hier sie als Guanbu erkennen. Ihre erste Sorge galt dem Gemeinschaftsraum. Die Patienten wurden mit festgeschnallten Gliedmaßen und geknebelt auf Bahren herausgetragen. Danach ging man den Jungen holen. Der wurde in einem Leichensack herausgetragen. Seine Mutter wimmerte, als sie und der Rest des Dorfes zur »Untersuchung«  zusammengetrieben wurden. Man notierte ihre Namen und entnahm ihnen Blutproben. Einer nach dem anderen musste sich ausziehen und wurde fotografiert. Als Letzte entkleidete sich eine runzlige alte Frau. Sie hatte einen ausgemergelten, buckligen Körper, ein Gesicht mit tausend Falten und winzige Füße, die abgebunden worden sein mussten, als  sie ein Mädchen war. Sie schüttelte die knochige Faust nach den »Ärzten«. »Das ist eure Strafe!«, rief sie. »Das ist die Rache für Fengdu!«. Sie sprach von der Stadt der Geister, deren Tempel und Schreine der Unterwelt geweiht sind. Der Ort war, genau wie Alt-Datschang, ein bedauerliches Hindernis für Chinas nächsten großen Sprung nach vorn gewesen. Man hatte ihn evakuiert, dann dem Erdboden gleichgemacht und schließlich fast vollständig überflutet. Ich war nie ein abergläubischer Mensch und habe nie zugelassen, dass ich nach dem Opium des Volkes süchtig wurde. Ich bin Arzt, Wissenschaftler. Ich glaube nur an das, was ich sehen und berühren kann. Für mich ist Fengdu nie mehr gewesen als ein billiger, kitschiger Touristennepp. Natürlich prallten die Worte der alten Vettel daher an mir ab, aber ihr Tonfall, ihre Wut ... Sie hatte in ihren Erdenjahren schon genügend Unheil erlebt: die Kriegsherren, die Japaner, den irrsinnigen Alptraum der Kulturrevolution ... Sie wusste, dass sich ein neuer Sturm zusammenbraute, auch wenn sie nicht über die Bildung verfügte, ihn zu begreifen. Mein Kollege Dr. Kwei hatte alles nur zu gut verstanden. Er hatte sogar den eigenen Hals riskiert, um mich zu warnen, mir ausreichend Zeit zu verschaffen, einige andere anzurufen und
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