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Operation Zombie

Operation Zombie

Titel: Operation Zombie
Autoren: Max Brooks
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mit Plastikschnur zusammengebunden. Er hatte sich zwar die ganze  Haut um die Fesseln herum wund gescheuert, dennoch war kein Blut zu sehen.  Auch aus den anderen Verletzungen floss kein Blut, weder aus den Schnittwunden an Armen und Beinen noch aus dem großen, trockenen Loch, wo sein rechter großer Zeh gewesen war. Er wand sich wie ein Tier; ein Knebel dämpfte seine Schreie.  Zuerst versuchten die Dorfbewohner, mich aufzuhalten. Sie warnten mich, dass ich ihn nicht berühren sollte, dass er »verflucht« wäre. Ich scheuchte sie weg und griff nach Handschuhen und Mundschutz. Die Haut des Jungen war so kalt und grau wie der Beton, auf dem er lag. Ich konnte weder seinen Herzschlag noch seinen Puls fühlen. Seine Augen waren wild, groß und lagen tief in den Höhlen. Er sah mich damit an wie ein Raubtier und wandte den Blick nicht einmal von mir ab.  Während der gesamten Untersuchung verhielt er sich unerklärlich feindselig, wollte mit den gefesselten Händen nach mir greifen und schnappte trotz seines Knebels nach mir.
    Sein ganzes Gebaren zeigte eine derartige Brutalität, dass ich zwei der kräftigsten Dorfbewohner bitten musste, mir zu helfen, ihn zu bändigen. Zuerst wollten sie nicht gehorchen und drängten sich in einer Ecke zusammen wie Kaninchenbabys. Ich erklärte ihnen, dass keine Ansteckungsgefahr bestand, wenn sie Handschuhe und Atemschutz trugen. Als sie die Köpfe schüttelten, befahl ich es ihnen, obwohl ich dazu eigentlich gar nicht die Befugnis hatte. Mehr war jedoch nicht erforderlich. Die beiden Hünen knieten neben mir nieder. Einer hielt die Füße des Jungen fest, der andere schnappte sich die Hände. Ich versuchte, eine Blutprobe zu nehmen, förderte aber nur eine braune, zähflüssige Masse zu Tage. Als ich die Spritze herauszog, bekam der Junge wieder einen Tobsuchtsanfall. Einer meiner »Assistenten«, der für die Arme verantwortlich war, versuchte nicht mehr, sie festzuhalten, sondern kam offenbar zu der Überzeugung, dass es sicherer wäre, wenn er sie einfach mit den Knien auf den Boden drückte. Aber der Junge zappelte wieder, und ich hörte seinen linken Arm brechen. Zackige Enden von Ellen- und Speichenknochen ragten aus dem grauen Fleisch heraus. Der Junge schrie zwar nicht, schien es nicht einmal zu bemerken, aber es reichte aus, dass beide Helfer aufsprangen und aus dem Raum flohen.  Ich wich selbst instinktiv mehrere Schritte zurück. Es ist mir peinlich, das zuzugeben; ich war mein Leben lang Arzt. Ich wurde von der Volksbefreiungsarmee ausgebildet und - man könnte fast sagen, »großgezogen«. Ich habe mehr als genug Kriegsverletzungen behandelt, dem Tod selbst mehr als einmal ins Auge gesehen, und doch hatte ich jetzt Angst, wahrhaftig Angst vor diesem zierlichen Kind. Der Junge bewegte sich zappelnd in meine Richtung, und da riss sein Arm vollständig ab. Fleisch und Muskeln wurden durchtrennt, bis nur noch der Stumpf selbst übrigblieb. Mit dem jetzt freien rechten Arm, der immer noch an die abgetrennte linke Hand gefesselt war, zog er den ganzen Körper über den Boden. Ich lief hastig hinaus und schloss die Tür hinter mir ab. Ich rang um Fassung und versuchte, meiner Angst und Scham Herr zu werden. Mit brüchiger Stimme fragte ich die Dorfbewohner, wie sich der Junge angesteckt hätte. Niemand antwortete. Ich hörte das Klopfen an der Tür, als der Junge schwach mit der Faust gegen das dünne Holz schlug. Ich musste mich eisern beherrschen, damit ich bei dem Geräusch nicht zusammenzuckte. Ich betete, dass niemandem auffallen würde, wie aschfahl ich geworden war. Ich brüllte vor Angst und Frustration, dass ich wissen müsste, was dem Kind zugestoßen war. Eine junge Frau trat vor, möglicherweise seine Mutter. Man sah, dass sie seit Tagen geweint hatte; ihre Augen waren trocken und dunkelrot. Sie gab zu, dass es passiert wäre, als der Junge und sein Vater beim »Mondfischen« waren, ein anderer Ausdruck dafür, im Stausee der drei Schluchten nach Schätzen zu tauchen. Bei mehr als elfhundert verlassenen Dörfern, Ortschaften und sogar Städten bestand immer die Hoffnung, etwas Wertvolles zu bergen. Damals war das eine weit verbreitete Praxis, aber streng verboten. Sie erklärte, dass sie nicht hätten plündern wollen, dass es sich um ihr Heimatdorf handelte, Alt-Datschang, und sie nur versucht hätten, einige Erbstücke aus den verlassenen Häusern zu holen, die nicht verlegt worden waren. Das wiederholte sie immer wieder, bis ich ihr versichert hatte, dass
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