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Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf

Titel: Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
Autoren: Glenn Meade
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Mann schließt hinter ihnen die Tür. Er ist breitschultrig und hat ein hartes Gesicht; die Augen liegen tief in den Höhlen. Mit seinem kurzen Haar und den blank geputzten braunen Schuhen sieht er wie ein Soldat aus.
    Lange Zeit sagt er gar nichts, als suche er vergeblich nach den richtigen Worten. »William«, beginnt er schließlich, »ich heiße Karl Branigan und war ein Kollege deines Vaters.«
    Irgend etwas in seiner Stimme läßt mich aufhorchen, vielleicht die Art, wie er sagt, er ›war ein Kollege‹. Ich schaue ihn an und frage: »Was ist denn, Mr. Branigan?«
    »William, ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für dich. Es geht um deinen Vater … Er ist tot … Es tut mir leid … Aufrichtig leid.«
    Der Fremde steht einfach nur da und sagt nichts mehr. Dann weine ich, aber der Mann kommt nicht zu mir, umarmt mich nicht und tröstet mich auch nicht auf andere Weise. Zum ersten Mal im Leben fühle ich mich vollkommen verlassen. Kurz darauf höre ich die Treppe unter seinen Schritten knarren, als er hinuntergeht. Draußen heult der Wind. Der Zweig eines Baums schlägt gegen die Mauer, knarrt und zerbricht schließlich. Ich rufe nach meinem Vater. Aber er antwortet nicht.
    Dann schreie ich auf, ein gequälter Schrei aus meinem tiefsten Inneren, der mir noch heute in den Ohren gellt. Ein schrecklicher Schrei voller Angst. Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.
    Ich erinnere mich, daß ich dann losgerannt bin. Ohne bestimmtes Ziel. Durch die alten Eichentüren aus der Schule hinaus, über die feuchten, kalten Felder Virginias. Der Kummer lag wie ein Stein in meinem Herzen, bis ich an den kalten Fluß kam, der durch die Felder strömte. Ich lag auf dem feuchten Gras, schlug die Hände vors Gesicht und wünschte mir meinen Vater zurück.
    Erst später erfuhr ich Einzelheiten über den Tod meines Vaters. Man hat mir nie erzählt, wo genau er gestorben ist, nur, daß es irgendwo in Europa war und daß er Selbstmord begangen hatte. Der Leichnam hatte im Wasser gelegen – kein schöner Anblick für einen Jungen; deshalb durfte ich ihn nicht sehen. Es hatte zwar eine Beerdigung gegeben, aber keine weiteren Erklärungen oder Antworten auf meine Fragen. Niemand machte sich die Mühe, einem Kind etwas darüber zu erzählen. Doch Jahre später stiegen all die unbeantworteten Fragen wieder in mir auf. Warum? Wo? Es sollte sehr lange dauern, bis ich die Wahrheit erfuhr.
    Vor zehn Tagen, als meine Mutter gestorben war, war ich in ihre Wohnung gegangen und hatte mich dem Ritual gewidmet, ihre Habseligkeiten durchzusehen. Ich hatte nicht geweint, weil ich sie kaum gekannt hatte. Wir hatten uns im Lauf der vielen Jahre so gut wie nie gesehen. Nur gelegentlich war eine Karte gekommen, in größeren Abständen auch mal ein Brief. Wir hatten uns nie nahegestanden – nicht so wie mein Vater und ich. Meine Eltern hatten sich kurz nach meiner Geburt scheiden lassen, und meine Mutter war ihren eigenen Weg gegangen. Sie hatte es meinem Vater überlassen, mich großzuziehen.
    Sie war Tänzerin in einer Broadway-Show gewesen, und ich hatte immer vermutet, daß sie und mein Vater nie zusammengepaßt hatten.
    Sie mietete sich eine kleine Wohnung in der Upper EastSide in New York. Ich erinnere mich vor allem an die Unordnung, die dort herrschte. An das schmale, ungemachte Bett, an den einsamen Stuhl, an leere Ginflaschen und die Fläschchen mit der Haarblondierung. In einer Blechdose unter dem Bett verwahrte sie mit Gummibändern zusammengehaltene Briefe von alten Freunden und meinem Vater.
    Hier fand ich auch dieses Schreiben von seiner Hand. Es war alt und verblichen, hatte Eselsohren an den Ecken und wirkte zerbrechlich wie ein Papyrus.
    Er datierte vom 24. Januar 1953.
    Liebe Rose,
nur ein paar kurze Zeilen an Dich, damit Du weißt, daß es William gutgeht und er in der Schule gut vorankommt. Ich werde eine Zeitlang unterwegs sein. Falls mir etwas zustößt, sollst Du wissen, daß (wie immer) genug Geld auf meinem Konto ist, um Euch beide durchzubringen. Zusammen mit meiner Berufsversicherung. Wir leben in gefährlichen Zeiten. Ich habe gehört, daß sie wegen der russischen Kriegsdrohungen sogar damit anfangen, Luftschutzbunker am Broadway zu bauen.
    Mir geht es gut, und ich hoffe, Dir ebenfalls. Noch eins, falls mir etwas passiert: Ich wäre Dir dankbar, wenn Du im Haus nach dem Rechten sehen würdest. Solltest Du irgendwelche Unterlagen im Arbeitszimmer oder am üblichen Platz im Keller finden, dann tue mir doch
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