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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow
Autoren: Glenn Meade
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sah ein paar kupferne Kopeken und silberne Rubel, auf denen ich nur mit Mühe die Jahreszahlen erkennen konnte: 1914 und 1916, und eine Münze aus dem Jahr 1912. Ein vergilbter Kamm aus Elfenbein und ein Teil eines Kofferverschlusses lagen ebenfalls in dem Sieb. Der Anblick des Kinderhaarbandes daneben jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken.
    In der Zeit des Roten Terrors – der Säuberungsaktion nach der Oktoberrevolution, um die Macht durchzusetzen und Angst und Schrecken zu verbreiten – brachten die Bolschewisten ganze Familien um. Ich schüttelte den Kopf. »Traurig, aber interessant.«
    »Den Jackpot findest du da drüben.« Tom zeigte mit dem Daumen in die Ecke der Kammer, in der er arbeitete. »Du solltest erst einmal tief durchatmen, Laura.«
    »Warum?«
    »Es ist ein bisschen unheimlich. Fast makaber.«
    Ich nahm eine Taschenlampe von Toms Tisch und ging tiefer in die Kammer hinein. Als ich den kräftigen Lichtstrahl auf den gefrorenen Boden richtete, stieg pures Entsetzen in mir auf. Aus dem Dauerfrostboden ragte eine Hand heraus. Das Fleisch war unversehrt und ausgeblichen, die Finger von einer dünnen Schicht Schlamm überzogen und zur Faust geballt. Sie schien etwas festzuhalten. »Mein Gott …!«
    »Bis jetzt hast du noch nichts gesehen. Schau mal hier.« Roy zeigte auf die gefrorene Wand.
    Und dann sah ich es. Es war nicht nur eine Hand, sondern ein ganzer Leichnam. Das Gesicht einer Frau starrte aus der Torferde heraus. Es war ein grotesker Anblick. Auch ihre Kleidung war freigelegt. Sie trug eine helle Bluse und ein dunkles Oberteil aus Wolle, die aussahen, als stammten sie aus einem anderen Jahrhundert. »Wahnsinn!«
    »Gruselig, nicht wahr?«, sagte Tom. »Der Dauerfrostboden hat sie tiefgefroren.«
    »Das überrascht mich nicht, Baby«, fügte Roy hinzu. »In einem solchen Boden hat man sogar schon unversehrte Wollhaarmammuts gefunden. Wirf mal einen Blick nach links.«
    Ich folgte der Aufforderung und sah die Überreste einer dunklen Jacke aus grobem Stoff aus der braunen Erde herausragen. Etwa dreißig Zentimeter des Kleidungsstückes waren freigelegt. Darunter zeichneten sich die vagen Umrisse eines kleinen menschlichen Rumpfes ab.
    »Da liegt noch eine Leiche«, sagte Roy. »Wir wissen nicht, ob es die eines Kindes oder eines Erwachsenen ist, und es wird eine Weile dauern, bis wir sie ausgegraben haben. Zuerst konzentrieren wir uns auf die Frau.«
    Fröstelnd richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Frau und sah sie mir genauer an. Der gut erhaltene Kopf war deutlich sichtbar. Die Augen waren geschlossen. Ich sah ihre Nase, die Lippen, Ohren und Wangen. Ein paar Locken ihres dunklen Haars fielen auf ihr Gesicht und die Stirn. Sie hatte hübsche Wangenknochen. Ich richtete den Schein der Taschenlampe auf ihr bleiches Gesicht. Der Anblick wühlte mich auf, denn dies war einer der bedeutendsten Funde, die jemals in Jekaterinburg gemacht worden waren. »Unglaublich. Ich frage mich, wer sie war.«
    »Keine Ahnung. Aber da ist noch etwas«, sagte Roy.
    »Was denn?«
    »Schau mal, was sie in der Hand hält.«
    Ich richtete die Taschenlampe auf die geballte Faust und fragte mich, wie viele Jahrzehnte sie die Hand schon ballte. Offenbar umklammerte sie eine Metallkette. »Was ist das?«
    »Sieht wie ein Schmuckstück aus«, meinte Tom.
    »Wahrscheinlich hast du recht. Möchte jemand von euch versuchen, die Hand zu öffnen?«
    Roy grinste mich an. »Wir dachten, das überlassen wir dir.«
    »Vielen Dank!«
    »Du bist der Boss, Baby.« Joe reichte mir ein Paar Einweghandschuhe.
    »Okay, ich versuche es. Halt bitte die Taschenlampe«, bat ich ihn.
    Roy richtete das Licht auf die geballte Faust. Ich streifte die Handschuhe über, atmete tief durch und schloss kurz die Augen. Dann umklammerte ich den Zeigefinger und das Handgelenk, zog vorsichtig an dem Finger und versuchte, die Hand zu öffnen.
    Das Fleisch fühlte sich wie harter, kalter Marmor an.
    Ich hatte Angst, die Haut könnte zerreißen oder die ganze Hand wie feines Porzellan zerbrechen. Zu meiner Überraschung öffneten sich die Finger lautlos, zwar nur ein kleines Stück, aber es reichte aus, um zu sehen, was sie festhielt. »Komm näher heran mit dem Licht«, bat ich Roy.
    Er richtete die Taschenlampe auf die geöffnete Hand. In den ausgeblichenen weißen Furchen fand ich eine Kette und ein Medaillon.
    Es sah nicht so teuer und ausgefallen aus wie andere in Jekaterinburg gefundene Schmuckstücke, welche Verwandte des
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