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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
Autoren: John Dickie
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1990 er Jahren erkämpften sich die ’Ndranghetisti (die kalabrischen Ehrenmänner) eine führende Rolle innerhalb des europäischen Kokainmarktes, indem sie mit den südamerikanischen Drogenkartellen direkt Geschäfte machten. Die Kalabresen haben die strengste Omertà – ein Gesetz, das zu Verschwiegenheit und Geheimhaltung verpflichtet. Sehr wenige Informanten verlassen je die Reihen der Organisation, um als Kronzeugen auszusagen. In den vergangenen Jahren hat die kalabrische Mafia auch am erfolgreichsten von allen größeren kriminellen Organisationen Zellen außerhalb der Heimat gegründet und verfügt mittlerweile über Ausleger in Mittel- und Norditalien und sogar im Ausland: So wurde die Existenz von ’Ndrangheta-Kolonien in sechs deutschen Städten bestätigt, außerdem in der Schweiz, in Kanada und in Australien. Laut einem aktuellen Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Mafiakriminalität ist die ’Ndrangheta auch in Belgien, Holland, Großbritannien, Portugal, Spanien, Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Marokko, der Türkei, Venezuela und den USA vertreten. Von allen süditalienischen Mafiaorganisationen ist die ’Ndrangheta die jüngste und derzeit erfolgreichste; im Laufe der Zeit hat sie mehr dazugelernt als jedes andere italienische Verbrechersyndikat. Meine Forschung lässt darauf schließen, dass sie ihre wichtigsten Lektionen längst begriffen hatte, als die Welt sich ihrer Existenz überhaupt erst bewusst wurde.
    Das Duisburg-Massaker zeigt mit erschreckender Klarheit, dass Italien und die vielen Gegenden der Welt, in denen es Mafiakolonien gibt, noch immer mit den Auswirkungen der Geschichte leben, die hier erzählt werden soll. Bevor wir also in die Vergangenheit der Mafia eintauchen, ist es unerlässlich, ihre gegenwärtigen Protagonisten einzuführen, drei Profile zu skizzieren, die auf prägnante Weise zeigen, wessen Geschichte die Geschichte der Mafia eigentlich ist. Denn selbst nach Duisburg muss die Welt sich erst noch an die Vorstellung gewöhnen, dass es in Italien nicht nur eine Mafia gibt. Die Öffentlichkeit hat nur eine vage Vorstellung von den Strukturen dieser Organisationen, insbesondere denen der Camorra und der ’Ndrangheta.
    Blut tränkt die Seiten der Mafiageschichte. Blut in all seinen Bedeutungen kann uns auch die unbekannte Welt des organisierten Verbrechens im heutigen Italien näherbringen. Das Blut ist vermutlich das älteste und urgewaltigste Symbol der Menschheit, und Mafiosi nutzen noch immer jede seiner Facetten. Blut als Symbol der Gewalt. Blut als Symbol von Geburt und Tod, von Männlichkeit und Mut. Blut als Symbol von Verwandtschaft und Familie. Jede der drei Mafiaorganisationen gehört einer eigenen Kategorie an – der eigenen Blutgruppe, wenn man so will –, die sie einerseits von den anderen beiden unterscheidet, sie andererseits, was Rituale und Strukturen anbelangt, auch mit ihnen verbindet.
    Zunächst die Rituale: Indem sie blutige Eide leisten und Blutsbrüder werden, gehen italienische Gangster miteinander eine Verbindung ein, die zur Gewalt verpflichtet und erst mit dem Tod endet. Diese Verpflichtung besteht fast immer ausschließlich zwischen Männern. Allerdings ist auch die Eheschließung – symbolisiert durch das Vergießen jungfräulichen Blutes – ein Schlüsselritual im Leben eines Mafioso. Aus diesem Grund stellen Frauen eines der wiederkehrenden Themen in diesem Buch dar, Frauen und die Frage, wie Mafiosi gelernt haben, sie zu handhaben.
    Was vor allem die ’Ndrangheta von Anfang an begriffen hat, ist die Magie der Rituale. Und Rituale spielen eine große Rolle im Leben eines angehenden ’Ndranghetista, wie wir aus einer der wenigen Autobiographien wissen, die ein kalabrischer Mafioso (und mehrfacher Mörder) verfasst hat, der zum Kronzeugen wurde, nachdem er eine so heftige Phobie gegen Blut entwickelt hatte, dass er nicht einmal mehr ein medium gebratenes Steak ansehen konnte).
    Antonio Zagaris Karriere im organisierten Verbrechen begann am 1 . Januar 1954 , zwei Minuten nach Neujahr. Sie begann, um genau zu sein, im selben Augenblick, da er aus dem Mutterleib gepresst wurde. Er war der erstgeborene Sohn, und so wurde seine Ankunft mit besonderer Freude begrüßt: Sein Vater Giacomo griff sich ein schweres Maschinengewehr aus dem Zweiten Weltkrieg und ballerte ein halbes Magazin in den Sternenhimmel über dem Golf von Gioia Tauro. Die Gewehrsalve ließ der Hebamme kaum die Zeit, die sie benötigte, um
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