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Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Oliver Hell - Das zweite Kreuz

Titel: Oliver Hell - Das zweite Kreuz
Autoren: Michael Wagner
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weiß ich nicht, ob es klug ist, dich der Welt zu zeigen. Hinterher spannt dich mir einer aus. So ein Arzt mit viel Geld zum Beispiel.“
    „ Ich will aber keinen Arzt mit viel Geld“, sagte sie und küsste ihn auf die Wange. Er streichelte über ihre nackte Schulter.
    „ Du bist sicher, dass wir ins Theater gehen?“
    „ Ja, bin ich“, sagte sie, und schob ihn lachend von sich, „Ich habe nicht umsonst beinahe zwei Stunden vor dem Spiegel gestanden, um jetzt in den Kissen zu versinken.“
    „ Schade.“
    *
    Sie verbrachten eine Stunde und fünfundvierzig Minuten im Theater. Sie besuchten ein Stück im Fritz Rémond Theater mit dem Titel ‚Die Wahrheit‘. Hell hatte sich über den Titel amüsiert.
    „ Das ist das passende Stück für einen Kriminalkommissar“, hatte er geflachst. Doch ging es in dem Stück nicht um Verbrecher, sondern um die Lügen zwischen Mann und Frau. In dem Flyer, der im Foyer des Theaters auslag, war zu lesen: „Wenn die Leute von heute auf morgen aufhören, würden sich zu belügen, gäbe es kein einziges Paar mehr auf Erden. Und in gewisser Hinsicht wäre dass das Ende der Zivilisation.“
    Wider Erwarten fühlte er sich durch das Stück und durch die Schauspieler gut unterhalten. Dennoch. Theater war nicht seine Welt. Vielleicht weil ihm in seinem Beruf schon genug Theater durch die Verdächtigen gespielt wurde. Er überlegte, ob er den Hauptdarsteller wohl der Lüge hätte überführen können. Eigentlich war er sich da sehr sicher. Nachdem sich Franziska noch von ein paar Bekannten verabschiedete, und es sich nicht hatte nehmen lassen, ihnen ihren Begleiter vorzustellen, verließen sie das Theater. Hell hatte das über sich ergehen lassen. Er war nicht der Mann für solche Gelegenheiten, doch fand er, er hätte eine gute Figur abgegeben. Auch Franziska bestätigte ihm das.
    Danach nahm der Abend den Verlauf, den Hell sich gewünscht hatte. Sie gingen noch entspannt essen. Franziska wählte dafür ein Restaurant aus, was ganz nach seinem Geschmack war. Das Restaurant ‚Druckwasserwerk‘ im Westhafenareal, inmitten eines Wohn- und Büroviertels. Der neoromanische Backsteinbau wurde von einem visionären Investor zweitausendacht erworben und Stück für Stück wieder renoviert. Bis dahin hatte er jahrelang im Dornröschenschlaf gelegen, nachdem seine Technik in den sechziger Jahren veraltet war.
    Hell las in einem Schaukasten über die bewegte Geschichte des Gebäudes.
    Das Druckwasserwerk war das einzige erhaltene historische Gebäude des 1886 eröffneten Frankfurter Sicherheits- und Handelshafen. Mit dem neuen leistungsfähigen und hochwasserfreien Hafen, der den Umschlag mit den großen Handelsplätzen am Rhein sicherstellte, übernahm Frankfurt damals eine führende Stellung im Handel mit Massengütern auf dem Main. Das Hafenprojekt war das erste Unternehmen dieser Art und dieses Umfangs zur Schiffbarmachung eines Flusses in Deutschland.
     
    Das Herzstück der hochmodernen Technik der neuen Hafenanlage war das von achtzehnhundertsechsundachtzig bis achtzehnhundertachtundachtzig durch das Tiefbauamt der Stadt Frankfurt errichtete Druckwasserwerk, das den Betrieb aller mechanischen Anlagen auf dem neuen Hafengelände ermöglichte.
    Heute wurde in der dreizehn Meter hohen Maschinenhalle diniert und getagt. Hell war völlig begeistert. Von der Location, der Akribie, mit der der Investor keine Mühen gescheut hatte, das sehr heruntergekommene Gebäude wieder zu errichten, aber vor allem war er begeistert über die Wahl, die Franziska getroffen hatte. Er hatte ihr während ihres gemeinsamen Urlaubs erzählt, dass ihn alte Industrieanlagen faszinierten. Eigentlich hatte er das nur in einem Nebensatz fallen gelassen. Franziska hatte es sich gemerkt.
    „ Schau dir die Fliesen an. Wundervoll, dieses Muster“, sagte er, „Die sind beinahe alle wieder erneuert worden. Ich möchte nicht wissen, was diese Renovierung gekostet hat. Toll, einfach toll.“ Jetzt blickte er zur Decke. Dort war auch das Tragwerk, ebenso wie das Dach erneuert worden.
    „ Freut mich, wenn dir meine Wahl gefällt“, sagte sie und gab dem Kellner einen Wink. Vor Kopf gab es eine lange, schlichte Bar mit weißer, integrierter Beleuchtung. Die Tische waren ebenfalls schlicht gehalten. Pomp hätte hier auch nicht gepasst. Der Kellner wies ihnen einen Platz am Fenster zu. Die dunkelbraunen Tische waren schlicht mit roten Stoffservietten versehen, und waren bereits eingedeckt. Über allem schwebte eine große
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