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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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es weiterhin so sein? Mussten die Huldvollen ihr Leben opfern, um die Passage nach Da-Draußen zu ermöglichen? Und noch eine Frage quälte sie: Würden sie und ihre Gefährten die »Abgewiesenen« je wiedersehen, die Menschen, die sie so liebten und die ihnen nicht nach Edefia hatten folgen können? Oksa atmete heftig, während sie auf Dragomiras Antworten wartete. Dann wurde ihr klar, dass ihre Großmutter nicht antworten würde. Oksa seufzte tief und hob den Kopf.
    »Was muss ich tun, Baba?«
    »Komm hierher.«
    Oksa ließ sich in die Mitte des großen Raums treiben.
    »Gibst du mir den Anhänger, den dir die Corpusleox überreicht haben?«, bat Dragomira.
    Oksa hob die Kette mit dem seltsamen Schmuckstück über ihren Kopf und zog ihr Granuk-Spuck heraus, um eine Reticulata hervorzuholen. Dank der Blasenlupe konnte sie den Anhänger noch einmal genau betrachten: Der winzige Erdball wurde von Orkanen geschüttelt, und die Meere verschlangen die Küsten wie ein ausgehungerter Riese. Die kleine Kugel vibrierte auf ihrer Handfläche. In diesem Moment begann der Boden im Inneren der Kammer zu zittern. Die Erde bebte, heimgesucht von neuerlichen Qualen.
    »Ist das wirklich die Erde?«, fragte Oksa angstvoll.
    »Was du siehst, ist natürlich nur eine Darstellung von ihr, doch sie ist getreu der Wirklichkeit des Augenblicks«, erwiderte Dragomira.
    Oksa warf einen besorgten Blick auf England, dann reichte sie Dragomira den Anhänger.
    »Mama und Gus sind in Gefahr, Baba«, flüsterte sie. »Wir müssen uns beeilen.«
    Oksa sah zu, wie die kleine Kugel immer höher schwebte, bis sie auf Höhe ihrer Augen war. Dann wurde sie plötzlich größer und größer, bis sie einen Durchmesser von fast vier Metern erreicht hatte. Sie fing an, sich langsam um die eigene Achse zu drehen. Dabei zeigte sich, dass die Erdoberfläche von den Katastrophen der vergangenen Wochen vollkommen entstellt war.
    »Das ist ja furchtbar!«, rief die Junge Huldvolle aus, als sie das ganze Ausmaß der Schäden erkannte.
    Nachdem die Erdkugel eine komplette Umdrehung vollzogen hatte, kam unter dem Meer und den Landmassen die Struktur des Erdballs zum Vorschein. Die Untiefen der Meere waren reliefartig zu sehen und enthüllten ihre Geheimnisse. Fassungslos beobachtete Oksa, wie sich die Kontinentalplatten mal mehr, mal weniger bewegten und wie das Magma in den Vulkanschlünden schmolz.
    »Oh! Der Marianengraben!«, rief sie aus, den Blick gebannt auf den riesigen klaffenden Spalt am Grund des Pazifiks gerichtet.
    Dann erschienen die Eingeweide der Erde, dicht und doch durchsichtig bis zum Kern. Die Kugel verkleinerte sich wieder, und das Universum drum herum entfaltete sich, vom großen Jupiter bis zum winzigen Pluto. Schließlich nahm auch die Sonne ihren zentralen Platz ein, und alles setzte sich in einer vollkommenen Choreografie um sie herum in Bewegung.
    Oksa suchte den goldenen Schatten ihrer Großmutter.
    »Das ist wahnsinnig schön, Baba …«
    Die einzige Antwort war ein zarter Windhauch, der ihr durchs Haar strich. Oksa versuchte, ihn zu fassen, doch es war vergeblich. Sie seufzte, und ihre Lippen zitterten. Sofort spürte sie, wie Dragomira sie wieder schützend umhüllte. Sie durfte sich jetzt nicht gehen lassen. Also rieb sie sich das Gesicht und setzte sich, sanft mit Armen und Beinen rudernd, in Bewegung, während ihre ganze Aufmerksamkeit dem Kreisen der Planeten um die Sonne galt.
    Sie drehten sich auf einer ebenso komplizierten wie perfekten Flugbahn. Auf einmal drang ein besonders intensiver Lichtstrahl aus dem feurigen Gestirn. Oksa wartete darauf, dass die Erde aufhörte, sich zu drehen, und sah, wie dieser Strahl immer größer wurde. Dann erhellte ein Lichtkegel einen kleinen Teil der Wüste Gobi.
    »Dort ist Edefia, nicht wahr, Baba? Dort sind wir?«
    »Ja«, kam die Antwort aus dem Schatten. »Aber sieh nur, was uns erwartet …«
    Wie ein Laser arbeitete sich der Lichtstrahl nun unter der Erdoberfläche fort, grub sich in die Eingeweide der Erdkugel, bis hinunter zu ihrem Kern. Und dieser pochte, wie Oksa plötzlich zu erkennen glaubte.
    »Aber ich dachte immer, der Mittelpunkt der Erde wäre ohne Leben«, stammelte sie. »In der Schule haben wir doch gelernt, dass er aus Eisen und Nickel besteht, oder?«
    »Vergiss nicht, dass alles, was unsere Welt betrifft, lebendig ist«, stellte Dragomira klar. »Hör gut hin, meine Kleine.«
    Oksa spitzte die Ohren und hörte im nächsten Moment ein schwaches, unregelmäßiges Pochen,
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