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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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schaute Mom beifallheischend an.
    Mom, die an ihrem Steak herumgesäbelt hatte, als sei es aus Metall statt aus Rindfleisch, schwieg einen Moment. »Ich kann nicht glauben, dass ihr das immer noch macht.«
    »Unsere Mädchen werden älter«, gab Dad zu, »aber trotzdem werde ich immer ihr Big Papa bleiben. Bis mich das Alter eingeholt hat und ich zu schrumpfen beginne. Dann bin ich ihr … Little Papa? Medium Papa? Papa the Great?«
    »Meinetwegen kannst du der größte Papa des Universums sein. Das ist nicht der Punkt.«
    Dad hob die Augenbrauen und dachte über diesen Titel nach anstatt über die Tatsache, dass Mom nicht amüsiert war. Andererseits war das auch nichts Besonderes, denn Mom war selten amüsiert. Von unseren beiden Eltern war sie immer die Ernsthaftere gewesen und hatte Wert auf Disziplin gelegt. Sie war in Boston Vorstandspräsidentin der Firma Franklin Capital – ein Finanzdienstleister –, während Dad als Schriftsteller und Professor für Amerikanische Literatur am Newton Community College tätig war. Die typischen Charakterzüge, die für ihre jeweiligen Berufe nötig waren, brachten sie üblicherweise auch mit nach Hause.
    »Und was ist der Punkt, Schatz?« Er beugte sich über den Tisch, nahm ihr sanft das Besteck aus den Händen und begann an ihrer Stelle mit der offenbar schweißtreibenden Aufgabe, das Steak zu zerschneiden.
    »Dass sie achtzehn Jahre alt ist«, Mom betrachtete meine Schwester mit einem Stirnrunzeln, »und damit eine erwachsene Person. Justine, wenn du dir heutzutage Fehler erlaubst, haben sie Konsequenzen.«
    »Okay, dann behalte ich eben für den Rest des Lebens eine kleine Narbe«, verkündete Justine. »Wie schlimm.«
    »Du kannst von Glück sagen, dass du so heil davongekommen bist.«
    Justine warf mir einen Seitenblick zu. Das Lächeln, das sie seit dem ersten Blick auf Simons Kombi getragen hatte, erstarb. »Mom, wir sind in ein Gewitter geraten, und ich bin auf den Steinen ausgerutscht. Unfälle passieren nun mal.«
    »Das stimmt. Und wenn du acht Jahre alt und tatsächlich am Strand gewesen wärest, würde ich dir einen Kuss auf dein Knie geben, und alles wäre wieder gut.«
    »Wow«, rief ich und zeigte auf den See. »Die Beazleys haben sich endlich ein neues Kanu gekauft. Schaut mal, wie … lang es ist.«
    Dad hatte Moms Steak zu Ende geschnitten, legte das Besteck auf ihren Teller zurück und beugte sich zu mir vor. »Guter Versuch, Kleines. Eine glatte A-Note.«
    Justine schüttelte den Kopf. »Jetzt bin ich verwirrt.«
    Ich versuchte, Moms Blick aufzufangen, mit der stummen Bitte, nicht das zu sagen, was sie gerade sagen wollte. Aber es hatte keinen Zweck. Sie war auf einem Feldzug – und kurz davor, mir ernsthaften Ärger mit der Person einzuhandeln, die ich am allerwenigsten unglücklich machen wollte.
    »Du warst nicht am Strand, Justine. Du warst bei den Chione Cliffs.«
    Ich hielt den Atem an. Auf Moms Worte folgte Schweigen.
    »Das kann gar nicht sein«, widersprach Justine schließlich und zupfte an der Serviette herum, die auf ihrem Schoß lag. »Von so einem Ort habe ich noch nie gehört.«
    »Ach ja? Und von welcher lebensgefährlichen Klippenwand hat deine Schwester wohl sonst gesprochen?«
    Ich schloss die Augen und sackte auf meinem Stuhl zurück. Auch ohne Justine anzusehen, wusste ich, dass sie mich mit einem Blick anstarrte, der gleichzeitig überrascht, ungläubig und verletzt war.
    »Letzten Sommer«, fuhr Mom fort, »als du einmal nicht da warst, wirkte Vanessa ganz durcheinander, und ich habe gefragt, was los ist. Sie hat mir von den Klippen erzählt, die ihr entdeckt habt und zu denen ihr jedes Jahr geht. Sie fühlte sich schlecht, weil sie zu ängstlich war, um herunterzuspringen.«
    »Wo wir schon beim Thema sind, vielleicht würde uns nach dem Essen ein kleiner Sprung in den See guttun«, schlug Dad leichthin vor. »Was meint ihr?«
    »Wir haben uns geschworen, nichts zu verraten«, zischte Justine mir zu, als wären wir die Einzigen am Tisch. »Wir wollten diesen Ort für uns behalten. Das hat ihn so besonders gemacht.«
    Ich schaute auf. »Ja, ich weiß, aber –«
    »Gib Vanessa nicht die Schuld«, sagte Mom.
    Während Justine auf ihrem Stuhl zusammensank, Dad sich ein Brötchen schmierte und Mom ihr Weinglas leer trank, durchsuchte ich mein Gehirn panisch nach Worten, mit denen ich alles wiedergutmachen konnte. Ich wollte Justine sagen, dass ich nicht die Absicht gehabt hatte zu petzen. Ich war letzten Sommer nach unserem
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