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Oberst Chabert (German Edition)

Oberst Chabert (German Edition)

Titel: Oberst Chabert (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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einmal über den Begriff juristisch klar werden. Was habe ich verwettet? Eine Vorstellung im Schauspielhaus. Was ist ein Schauspielhaus? Eine Stätte, allwo man schaut ...«
    »Nach diesem System könnten Sie uns ebensogut auf den Pont Neuf führen, eine Stätte, allwo man schaut, wie unten die Seine fließt«, unterbrach ihn Simonnin.
    »Allwo man schaut gegen Entgelt«, setzte Godeschal fort.
    »Man schaut gegen Entgelt eine Menge Dinge, die doch kein Theater sind. Ihre Begriffsdefinition ist nicht exakt.«
    »Aber! Aber! Wollen Sie mich überhaupt anhören?«
    »Sie sind nicht recht bei Verstand, mein Kind«, sagte Boucard.
    »Ist Curtius ein Schauspielhaus?« sagte Godeschal.
    »Nein,« erwiderte der Oberschreiber, »sondern ein Wachsfigurenkabinett.«
    »Ich setze hundert Franken gegen einen Sou,« nahm Godeschal den Faden wieder auf, »daß das Kabinett von Curtius alles in allem ein Unternehmen darstellt, dem alle näheren Merkmale eines Schauspiels zukommen. Es stellt dar eine Stätte, wo man etwas zu sehen bekommt und zwar gegen Entgelt, das sich nach der Güte der Plätze richtet, und dem Preis, den man anlegen will ...«
    »Und Schnick und Schnack«, sagte Simonnin.
    »Nimm dich in acht, daß du nicht eine Ohrfeige erwischst, Kerl«, sagte Godeschal.
    Die anderen zuckten die Achseln.
    »Übrigens, ist es denn sicher, daß sich der alte Affe nicht über uns lustig gemacht hat?« sagte er, indem er seine Beweisführung preisgab, die sowieso im Gelächter der anderen erstickte. »Tatsache ist: Oberst Chabert ist tot, seine Gattin hat sich wieder verehelicht, mit dem Grafen Feraud, Mitglied des Staatsrates. Frau Gräfin ist eine von unsern Klientinnen.«
    »Die Verhandlung wird auf morgen vertagt«, sagte Boucard. »An die Arbeit, meine Herren! Hols der Teufel! Hier wird nichts geschafft. Machen Sie doch Ihre Bittschrift fertig, sie muß vor der Sitzung der vierten Kammer unterzeichnet sein. Heute findet die Verhandlung statt. Vorwärts!« »Wäre er wirklich der Oberst Chabert gewesen,« sagte Huré, »hätte er dann nicht seinen Fuß am Hinterteil unseres witzigen Freundes Simonnin abgewischt, als der einen Tauben mimte?« und dieser Schluß schien ihm beweisender als alle Beweisgründe Godeschals.
    »Dieweil noch alles in der Schwebe ist, einigen wir uns auf eine Loge im zweiten Rang der Comédie Française, wir wollen Talma als Nero sehen. Simonnin kann ins Parterre gehen.« Auf diese Worte hin setzte sich der Vorstand an seinen Tisch und die andern taten desgleichen.
    »Erteilt im Juni des Jahres eintausend-acht-hundert-und-vierzehn alles in Buchstaben ausgeschrieben ...« sagte Godeschal, »haben Sie das?«
    »Ja«, antworteten die beiden Kopisten, und das Gekritzel der Federn auf dem Stempelpapier begann mächtig zu ertönen, nicht anders als hundert summende Maikäfer, von Schulkindern in Tüten eingeschlossen.
    »Und so hoffen wir, daß die Herren, die das Tribunal zusammensetzen ... Halt, ich muß meine Phrase noch einmal richtig durchgehen, denn ich kapiere mich selbst nicht mehr.«
    »Sechsundvierzig ... man hat auch so etwas schon gesehn ... und drei sind neunundvierzig«, sagte Boucard.
    Nachdem er seinen Satz überlesen hatte, diktierte Godeschal: »So hoffen wir, daß die Herren, die das Tribunal zusammensetzen, nicht weniger groß denken werden als der glorreiche Verfasser der Ordonnanz, und daß sie nach Gebühr mit den erbärmlichen Prätentionen aufräumen werden, die von der Großkanzlei der Ehrenlegion erhoben worden sind und daß sie vielmehr das Recht fassen werden im weitesten Sinne, in welchem wir selbes Recht geltend machen.«
    »Herr Godeschal,« sagte der kleine Laufbursche, »wünschen Sie ein Glas Wasser?«
    »Simonnin, du Lausejunge,« sagte Boucard, »sattle und zäume deine Rosse, nimm dieses Paket und fort zum Invalidenhause!«
    »... den wir hier geltend machen im Interesse von Frau ... (ausgeschrieben) Frau Gräfin Grandlieu ...«
    »Was?« schrie der Vorstand, »Sie haben allen Ernstes vor, eine Bittschrift in Sachen Gräfin Grandlieu kontra Ehrenlegion zu verfassen, eine Angelegenheit, die auf Kosten des Bureaus geht, eine Akkordarbeit? Sie sind wahrhaftig ein Trottel! Wollen Sie wohl sofort ihre Kopien und ihr Original in die Ecke schmeißen? Übrigens können wir sie für die Affäre Navarreins kontra Findelhaus später verwenden. Aber es ist spät, ich will eben noch ein Plazet erwirken mit einer einstweiligen Verfügung und werde selbst zum Gericht gehen.«
    Diese
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