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Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Titel: Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
Autoren: Deborah Crombie
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Notizzettel oder eine Quittung. Vielleicht könnte er damit den tief verwurzelten Widerwillen unterdrücken, den er bei dem Gedanken empfand, in die Privatsphäre einer Therapeutenkollegin einzudringen. Aber Hazel, so sagte er sich, hatte jedes Recht auf solche Rücksichtnahme verwirkt.
    Bleistifte, Gummis, Heftklammern – all der harmlose Kleinkram, den man in jedem Büro finden konnte. Hazels Terminkalender lag aufgeschlagen auf ihrem Schreibtisch; ihre Patientenakten bewahrte sie in einem separaten Schrank auf. Frustriert lehnte er sich zurück und hob gedankenverloren die Ecke der Schreibunterlage an.
    Das Foto mit den Eselsohren lag nahe am Rand, so, als würde es regelmäßig zur Hand genommen. In verblassten Farben blickte ihm eine lächelnde Hazel entgegen. Sie trug Shorts, und ihre sonnengebräunten Beine schienen gar nicht enden zu wollen. Ihr Gesicht war jünger und weicher, und er konnte mehr denn je die Ähnlichkeit mit Holly erkennen. Neben ihr saß ein großer, kräftiger Mann in Jeans, der den Arm ebenso beiläufig wie besitzergreifend um ihre Schultern gelegt hatte. Er hatte ein offenes Gesicht mit markanten Zügen, und er trug sein dichtes Haar ein wenig länger, als es derzeit modern war. Hinter ihnen breitete sich das purpurrote Meer einer mit Heidekraut bedeckten Moorlandschaft aus. Schottland im Sommer.
    Sein erster Impuls war, das Foto zu zerreißen – aber nein, sollte sie es doch behalten. Sie würde wenig genug haben, wenn er einmal mit ihr fertig war.
    Etwas Weißes lugte an einer Seite unter der Fotografie hervor. Er stieß das Bild mit der Fingerspitze weg, als wäre es unrein.
    Eine Visitenkarte. Du liebe Zeit! Der Mann hatte ihr doch tatsächlich seine Visitenkarte gegeben, wie ein Staubsaugervertreter, der an der Haustür klingelt. Im Gegensatz zu dem Foto war die Karte neu und blendend weiß, und sie verriet ihm alles, was er wissen wollte:
Donald Brodie
, stand da,
Benvulin Distillery, Nethy Bridge, Invernessshire.
    Tim spürte, wie eine eiskalte Gelassenheit von ihm Besitz ergriff. Er steckte die Karte ein und schob das Foto wieder in sein Versteck unter der Schreibunterlage. Die Sekunden schienen sich zu Minuten zu dehnen, und in der Stille hörte er das Pumpen seines eigenen Herzens.
    Er wusste jetzt, was er zu tun hatte.
    »Und wenn sie nun kein Fleisch essen?« Louise Innes stand am Spülbecken in der Küche und arrangierte Blumen für die abendliche Tischdekoration in Vasen. Obwohl sie ihrem Mann den Rücken zuwandte, wusste John genau, dass sie die Stirn gerunzelt hatte – die kleine Falte zwischen ihren Brauen schien sich von Mal zu Mal tiefer einzugraben. »Bist du denn nicht auf die Idee gekommen, sie mal zu fragen?«
    »Ich dachte, wenn jemand ein Problem damit hätte, würde er oder sie schon selbst Bescheid sagen«, erwiderte John. Es gelang ihm, seine Stimme ruhig zu halten, doch die Heftigkeit, mit der er den Teig für die Crêpes mit Kräutern und Pilzen schlug, die für heute Abend als Vorspeise geplant waren, verriet seine Verärgerung. Die Küche war sein Reich, der Rest des Hauses gehörte Louise – aber sie konnte es nicht lassen, ihm in seine Menüplanung hineinzureden.
    »Und ausgerechnet Hirsch –«
    »Ach, Louise, das ist schließlich eine Highland-Spezialität. Und Hazel Cavendish ist eine alte Schulfreundin von dir – das wüsstest du doch, wenn die kein Fleisch essen würde.«
    »Dieses ganze Wochenende war von vorne bis hinten eine Schnapsidee«, entgegnete Louise giftig. Je gereizter sie war, desto ausgeprägter wurde ihr englischer Akzent – als wolle sie sich mit aller Deutlichkeit von seinem Schottentum distanzieren. »Ich habe Hazel seit dem Sommer nach unserem Studienabschluss nicht mehr gesehen, und ich halte von der ganzen Geschichte rein gar nichts. Sie ist verdammt noch mal verheiratet, und ein Kind hat sie auch. Du hast dich schon immer von Donald Brodie zu Dingen überreden lassen, von denen du besser die Finger gelassen hättest.« Seine Frau nahm ein halbes Dutzend Rosen aus dem Eimer voll Blumen, den John am Morgen aus Inverness mitgebracht hatte, legte sie auf ein Schneidbrett und kürzte die Stängel mit einem scharfen Messer um exakt zwei Zentimeter. Die Art, wie sie den unbarmherzigen Streich vollführte, ließ ihn an eine Exekution denken.
    Louise hatte im vergangenen Jahr einen Kursus für Blumenarrangements besucht, und sie hatte dieses Projekt mit der gleichen Gründlichkeit durchgezogen, die alle ihre Aktivitäten
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