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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman
Autoren: Silvia Bovenschen
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Reaktion wollte, versuchte es mit einer Frage, die aggressiver ausfiel als beabsichtigt.
    »Bist du nicht ein bisschen zu alt für Farbe und Form dessen, was du da am Leibe hast?«
    Dörte hätte gesagt, dass Nadine jetzt schon mächtig angefressen war.
    »Nur weil ich etwas älter bin, muss ich ja nicht in Sack und Asche gehen. Die langweiligen Klamotten überlasse ich euch, schlimm genug, sich das den ganzen Tag ansehen zu müssen. Meine liebe Leonie, du hast keinerlei Zuständigkeiten in Sachen Mode.«
    Da Leonie ›in Sachen Mode‹ tatsächlich keinerlei Ehrgeiz hatte und sich mit einer gepflegten Alterserscheinung begnügte, überging sie diese Spitze.
    »Für wen hast du dich denn so aufgerüscht?«
    »Wir erwarten Herrenbesuch, und ich sehe gerne ordentlich aus zu solchen Anlässen. Charlotte hat mir diesen Besuch heute erst angekündigt, und wir haben nichts im Hause, das wir anbieten könnten.«
    »Tee und Kaffee und ein paar Biskuits werden schon da sein. Das kann genügen. Wer wird denn erwartet?«
    »Dr. Theodor von Rungholt.«
    »Ach du liebe Güte. Dafür die Aufregung. Das ist doch Charlottes Finanzguru, was hast du denn mit dem zu tun?«
    »Ich finde ihn sehr charmant. Und bei seinem letzten Besuch hat er, nach seiner Besprechung mit Charlotte, noch Zeit gefunden, mit mir bei einem Tässchen Tee ein wenig zu plaudern.«
    »Na, ich weiß ja nicht. Er mag ja ein Finanzgenie sein, aber mein Fall ist er nicht. Diese müden Komplimente, dieses abgestandene Getue, dieses aufdringliche Herrenparfüm …«
    »Ich glaube, von Männern verstehst du noch weniger als von Mode.«
    Jetzt wurde auch die vergleichsweise gutartige Leonie etwas spitz.
    »Ach, ich vergaß, du bist ja die große Männerspezialistin. Wer wurde denn da von mindestens drei Ehemännern im Stich gelassen und vom letzten Liebhaber obendrein noch finanziell ruiniert?«
    Nadine war nicht schlagfertig, sie beließ es bei einer beleidigten Miene, zupfte an ihrer mauvefarbenen Seidenbluse, fuhr sich mit einer Handbewegung durchs rostrot gefärbte Haar (eine Bewegung, die möglicherweise einmal geeignet gewesen war, eine Mähne zu bändigen, die jetzt aber dem etwas schütternen Zustand des Bewuchses nicht mehr sehr angemessen war) und wandte sich zum Gehen. In der Tür verkündete sie noch, dass irgendjemand in diesem Hause Niveau und Stil sichern müsse und dass sie deshalb umgehend zu einer renommierten Konditorei eilen und dort Spezialitäten erstehen wolle, die den hohen Gast erfreuen könnten.

Drinnen
    Ja, so waren die Tage in der letzten Zeit dahingegangen. Johanna schrie ihr »Unerhört« in die Welt; Leonie murmelte oder summte; Nadine drapierte ihre Frisur, ihre Kleidung, Zierkissen und gelegentlich auch Blumensträuße; Charlotte hielt den Laden zusammen.
    Letzte Woche waren Charlotte und Leonie in die Oper gegangen, man gab die Traviata, aber die hatten sie 1961 in Wien und 1974 in Hamburg und 1982 in Salzburg schon besser gesehen. Anschließend waren sie in ein Restaurant gegangen, ein Traditionshaus, das sie schätzten. Charlotte, die nach dem Essen gerne eine Zigarette rauchte, hatte sich, wie schon oft in letzter Zeit, über das Rauchverbot, das für sie einen Zivilisationsbruch markierte, geärgert. Und es hatte sie zudem geärgert, dass auf der Speisekarte hinter der Benennung einiger Gerichte fettgedruckt »Biofleisch« vermerkt worden war. »Man sollte doch annehmen, dass man zu diesen Preisen und in einem so renommierten Betrieb in jedem Fall das bestmögliche Fleisch serviert bekommt«, hatte Charlotte gesagt und diesen Biovermerk als ordinär charakterisiert. Sie hatten beschlossen, dieses Restaurant nicht mehr aufzusuchen. Ein weiterer Grund, das Haus nicht mehr zu verlassen.
    Vor zwei Tagen hatte Nadine eine alte Freundin besucht. Sie war jedoch nicht lange geblieben, nicht nur weil die Besuchte, obgleich nahezu taub, das Hörgerät verweigerte, so dass Nadine zwei Stunden durchschreien musste (man schreit nicht gerne die Frage: »… und bist du jetzt inkontinent oder nicht?«), sondern auch, weil die Freundin ihrerseits die beiden Stunden durchgejammert hatte, obwohl ihr Altersschicksal so schwer nicht war.
    Es musste aber auch gesagt werden, dass Nadines Mitgefühl schnell an seine Grenzen stieß.
    Dörte hatte sich in kürzester Zeit eine Gläubigkeit eingeredet, hatte aber noch kaum eine Vorstellung, wie dieses neue Wollen all ihre Lebenssphären durchdringend auszugestalten sei.

Salon (kurz darauf)
    Leonie, die
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