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Nur Mut: Roman

Nur Mut: Roman

Titel: Nur Mut: Roman
Autoren: Silvia Bovenschen
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bin.«
    »Und was hast du davon, du wirst es ja dann nicht mehr wissen können.«
    »Wer weiß. Ich lege Spuren in jede Richtung. Es gibt mich sogar mehrfach. Eine interessante Erfahrung. Nur zur Information: Ich heiße gerade Eduard, bin zweiundfünfzig Jahre alt, bin Graphiker und sehr sportlich. Im Moment kommuniziere ich mit …«
    »Ach, und hier und jetzt bei mir, bei uns, da bist du nicht?«
    »Hier am allerwenigsten. Hier, das ist für mich schon die Vorform meines Sarges.«
    »Vielleicht solltest du die Alternative bedenken: das Pflegeheim, in das dich dein dubioser Neffe hat abschieben wollen …«
    »Ach, ist jetzt Dankbarkeit gefordert?«
    »Nein. Aber du könntest die Ruferei irgendwann einstellen oder wenigstens reduzieren.«
    »Nein. Ich möchte lieber nicht. Wer ist da gekommen?«
    »Ein Freund von Dörte.«
    »Der Knacki?«
    »Nein, ein harmloser Junge.«

Bibliothek (10 Uhr 16)
    Der harmlose Junge wollte mehr noch wissen über die neuen Lebensbedingungen der vergötterten Dörte.
    »Und wie setzt sich die Geronten-WG zusammen?«
    »Okay, das Setting: Da is in Front meine Großmutter Charlotte, der gehört die Villa, die hat die Knete und das Sagen. Die isn Wissenschaftsfreak und beinhart drauf. War mal Prof für Paläontologie an der Uni. Wenn die dich anschaut, denkste, du wärst ne Urzeitqualle unterm Mikroskop. Um die herum schwirren drei alte Nebelkrähen, eine greller als die andere. Krähe number one: Johanna, das is die, die da immer rumkrakeelt, die haste ja schon gehört, die war mal ne Schriftstellerin. Aber nach der kräht aktuell kein Hahn mehr. Krähe number two: Charlottes eingetrocknete Busenfreundin Leonie, die murmelt oder summt dauernd vor sich hin, ich glaub, die war mal Lehrerin. Und dann is da noch Krähe number three: Nadine, son Hautständer, die hatte in der Steinzeit mal nen Job in der Modebranche und behängt sich immer mit mächtig abgedrehten Klamotten. Die zwitschert, redet wie son Vögelchen … Mann, das sind Geräusche hier, der totale Ohrenkrebs, wusste ich auch vorher nich, dass die Kompostis immerzu son freakigen Sound erzeugen, ständig Lärm machen, übelst.«
    In diesem Moment betrat Charlotte die Bibliothek.
    »Willst du mir deinen jungen Freund nicht vorstellen?«
    »Das ist Flocke«, sagte Dörte.

Drinnen
    Dörtes Beschreibung ihrer Mitbewohnerinnen war erwartungsgemäß sehr schlicht. Nicht nur, weil sie erst seit einer knappen Woche in der Villa lebte, sondern auch, weil sie sich – um es mit ihren Worten zu sagen – einen Scheiß für die alten Damen interessierte. Nur mit ihrer Großmutter hatte sie immer mal wieder Zeit verbracht. Erstaunlich: Sie hatte klaglos und willig Anordnungen entgegengenommen, die sie, wären sie von ihren Eltern ergangen, auf die Barrikaden getrieben hätten.
    »Frühstück: neun Uhr, Mittagessen: dreizehn Uhr, Abendessen: neunzehn Uhr. Bitte halte diese Zeiten ein. Du musst die Mahlzeiten nicht gemeinsam mit uns einnehmen, wenn du nicht willst. Bitte erzeuge nicht allzu viel Lärm. Johannas Ruferei genügt mir. Ich habe dich im Kleist-Gymnasium angemeldet, ich bin mit dem Direktor befreundet, und erwarte von dir, dass du regelmäßig hingehst und lernst. Ich musste deinen Eltern versprechen, dass ich dir vorerst den nächtlichen Ausgang verweigere, sie hätten dir ansonsten den Aufenthalt hier verwehrt, du kannst aber tagsüber zivilisierte Freunde herbitten. Ist das so weit klar?«
    »Alles roger.«

Johannas Zimmer (wenig später)
    Leonie murmelte, dabei ahmte sie Johanna nach: »Unerhört. Ja, schrei nur dein ödes Unerhört in die Welt.«
    Sie erschien jetzt im Türrahmen von Johannas Zimmer und sagte in moderater Lautstärke:
    »Was heißt hier unerhört? Manch einer würde sich wünschen, noch so gehört zu werden. Du hörst doch: Ich bin hier und kann dich hören, aber ich will dieses ewige ›Unerhört‹ nicht mehr hören …«
    Johanna nahm die Kopfhörer herunter.
    »Das habe ich gehört.«
    »Das solltest du auch hören. Wie geht es dir?«
    »Ich spüre meine Füße nicht mehr, aber sie tun mir weh. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Nein.«
    »Siehst du.«
    »Was sehe ich?«
    »Du bist nicht wie ich.«
    »Das will ich doch schwer hoffen.«
    Johanna wurde pathetisch:
    »Ich könnte auch sagen: Ich bin nicht mehr von dieser Welt, oder ich bin inzwischen schon aus einem anderen Stoff …«
    »Weißt du, was ich nicht leiden kann?«
    »Du wirst es sicher gleich sagen.«
    »Leute, die nicht nur dauernd über
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