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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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zusammengelegten Segel und verstauen sie in einem Regal. Die Schwimmwesten hängen sie auf Kleiderbügel an eine Stange. An der Wand stehen die Ruder für die Angelkähne.
    Während sich Fred und Jonas das offene Motorboot mit dem West-Außenborder ansehen, reicht ihnen der Sachse ein Paar hölzerne Ruderblätter für den Angelkahn. Im Armaturenbrett des Motorbootes steckt der Zündschlüssel.
    »Nu guckt ma nich so neidisch. Das Motorboot darf niemand ausleihen. Das is für Egon Krenz. Der kommt einmal im Jahr. Aber ich muss das Boot jeden Tag putzen und startklar halten, weil mir niemand sagt, wann er kommt.«
    Nachdem sich Fred und Jonas umgesehen haben, erklärt der Sachse: »Passt uff, wenn ihr abends zurück seid, bindet ihr den Kahn im Hafen an. Das Bootshaus is dann abjeschlossn. Ihr nehmt einfach eure Ruder und schiebt die hier unten durch, dann kann keener was klauen.«
    Fred und Jonas zahlen die Leihgebühr von fünfzig Pfennig.
    Sie gehen mit dem Sachsen zum Hafen, wo er ihnen einen Angelkahn losbindet.
    »Finden den ganzen Sommer lang Segelkurse statt?«, fragt Jonas.
    »Meistens ja. Außer nächstes Wochenende. Da dürfen nur von Hand verlesene FDJler aufs Gelände.«
    »Kommt da Egon Krenz?«
    »Nee. Da is internationales Freundschaftstreffen. Vierhundert Jugendliche aus'm Westen. Dazu hundert ausgewählte FDJler. Wenn ich daran denke, krieg ich heute schon das Kotzen, obwohl ich ja nischt dazu sagen darf.«
    Jonas sieht ihn fragend an.
    »Weil die alles dürfen. Dürfen sich alles nehmen, was die wollen. Und keener darf die anmeckern. Da bleiben die Fahrräder kaputt im Walde liegen und die Boote kriege ich dreckig und zerkratzt zurück. Und ich muss alles wieder in Ordnung bringen.«
    Jonas und Fred rudern in der Stille des Abends auf den spiegelglatten Scharmützelsee hinaus.
    Am folgenden Freitag rollen nachmittags mehrere Reisebusse mit ausländischen Jugendlichen auf das Gelände des JEZ. Fred und Jonas tragen Blauhemden mit einer roten Armbinde über dem linken Ärmel. Beim Passieren der Wache werden sie freundlich gegrüßt. Auf halber Strecke von der Rezeption zum Hafen ist eine Bühne aufgebaut. Dort spielt der Berliner Oktoberklub das Lied »Sag mir, wo du stehst...«
    Der Weg von der Bühne zum Hafen ist mit Fackeln illuminiert. Unter einem großen, rundum offenen Partyzelt lädt ein riesiges Büffet ein. Wie eine Girlande hängen rund um das Zelt an einer Leine Bananen, Netze mit Orangen und ganze Ananas. Ausländische Jugendliche stehen locker in kleinen Gruppen, essen, trinken, diskutieren. Die FDJler in ihren Blauhemden stehen separat in Gruppen und wirken verkrampft. Sie bedienen sich weder am Büfett noch von den Südfrüchten.
    Die Gäste des internationalen Freundschaftstreffens dürfen sich sämtliche Sportgeräte gratis ausleihen. Jonas und Fred beobachten, wie der Sachse beim An- und Ablegen der Ruderboote hilft. Mit Einbruch der Dunkelheit werden russischer Wodka und Sekt von der Krim angefahren. Die Blauhemden halten sich nach wie vor zurück, möglicherweise sind sie entsprechend instruiert worden, während die ausländischen Gäste immer ausgelassener werden.
    Wo nachmittags noch der Oktoberclub seine Lieder vom Klassenkampf gespielt hat, ist inzwischen eine Disco aufgebaut und heizt mit westlicher Musik die Stimmung an. Am Bootshafen hat der Sachse alle Hände voll zu tun, die Angetrunkenen über den Steg zu geleiten.
    »Das ist die Gelegenheit«, sagt Jonas. Sie verlassen das turbulente Treiben am Hafen und gehen in Richtung Bootshaus. Unterwegs treffen sie eine FDJ-Wache mit roten Armbinden, die sie freundlich grüßt. Das Bootshaus steht offen. Jonas wirft vier Ixylon-Segelsätze in das Motorboot. Fred versucht zu starten, doch der Schlüssel steckt nicht mehr im Armaturenbrett. Jonas löst die vier Festmacher, schiebt das Boot aus dem Schuppen hinaus auf den See und klettert auf den Beifahrersitz.
    Zwei FDJler mit roter Armbinde erscheinen im Schuppen.
    »He, was macht ihr da? Kommt sofort zurück!«
    Fred hantiert an der Batterie. Es gibt einen elektrischen Funken. Der Archimedes startet. Fred springt auf den Fahrersitz, legt den Gang ein und gibt Gas. In wenigen Sekunden sind sie auf dem nächtlichen See verschwunden.
     

Kapitel 27
    Sie brauchen mehrere Wochen, um die vier Ixylon-Segel zu zerlegen und mit Hilfe einer alten Sattler-Nähmaschine so umZuschneidern, dass sie exakt den Maßen zur Bespannung der Tragflächen entsprechen. Am Ende streichen sie die weißen
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