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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher
Autoren: Wim Westfield
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Betriebsdirektor flüstert: »Ich darf pro Person nur noch einen Quadratmeter Stoff verkaufen, also nur so viel, wie man zur Neubespannung eines Regenschirms aus DDR-Produktion benötigt.«
    »Na, dann verkaufen Sie uns einfach die Menge für die Neubespannung von fünfzig Regenschirmen.«
    »Das würde mich den Kopf kosten«, flüstert der Direktor. »Seit der Ballonflucht vor zehn Jahren geht nix mehr. Jeder Stoffballen ist gezählt. Ich habe strikte Anweisung, nicht mehr als einen laufenden Meter pro Nase zu verkaufen und die Personalien des Käufers aufzunehmen.«
    Wieder in Berlin, schmieden Fred und Jonas einen neuen Plan. Sie fahren am Wochenende zum FDJ-Jugenderholungszentrum am Scharmützelsee, parken das Auto in dem Dorf Wendisch-Rietz und gehen zu Fuß ins JEZ. Das Jugendlager besteht aus einer Art Hotel in einem Neubauklotz, um ihn herum gruppiert einige Dutzend Bungalows. Am Ufer des Scharmützelsees gibt es einen kleinen Hafen mit der einzigen Segelschule der DDR.
    Die Schranke am Eingang zum JEZ steht offen. Zwei FDJler tragen über dem linken Ärmel ihres Blauhemdes eine rote Armbinde, was sie als Wache kennzeichnet.
    Fred und Jonas gehen an ihnen vorüber und grüßen mit »Freundschaft.«
    »Freundschaft«, grüßen die FDJler zurück.
    An der Rezeption des Hauptgebäudes fragt Jonas höflich: »Guten Tag, Jugendfreundin, wir haben erfahren, dass es hier eine Segelschule gibt. Wir würden gern einen Segelkurs belegen.«
    »Das könnt ihr gern«, sagt die schöne junge Frau im Blauhemd. »Ihr braucht dazu nur bei der FDJ-Kreisleitung eures Betriebes einen Antrag auf eine Jugendtourist-Reise auszufüllen. Dabei dürft ihr als Reisewunsch Segelkurs im JEZ eintragen.«
    »Und wie lange dauert es dann, bis der Segelkurs beginnt?«, will Jonas wissen.
    »Die meisten Reiseanträge werden in ein bis zwei Jahren abgearbeitet.«
    »Ick hätte nie jedacht, dass dit so fix jeht«, sagt Fred.
    »Auf jeden Fall«, ergänzt die Schöne im Blauhemd, »bekommt ihr spätestens nach einem halben Jahr eine Bestätigung,
    ob die FDJ-Kreisleitung eurem Reisewunsch zugestimmt hat oder nicht.«
    »Dit jeht ja schnell wie der Blitz«, spöttelt Fred.
    »Wenn ihr dann die Bestätigung habt«, ergänzt die junge Frau freundlich, »wisst ihr auch schon, wohin die Reise geht.«
    »Wieso, hat die FDJ mehrere Segelschulen?«, fragt Jonas.
    »Nein. Es gibt nur die eine hier bei uns. Aber es kann ja sein, dass euer Reisewunsch umgeleitet wird. Zum Beispiel auf eine Wandertour durch Mecklenburg oder gar auf eine Freundschaftsreise in die Sowjetunion.«
    »Dit sind wirklich traumhafte Aussichten«, sagt Fred.
    »Siehst du, Jugendfreund. So schön ist das mit dem Reisebüro der FDJ.«
    Fred und Jonas verlassen die Rezeption und schlendern in Richtung Bootshafen. Als niemand in ihrer Nähe ist, fragt Jonas:
    »Glaubst du wirklich, dass wir hier vier Segel abstauben können?«
    »Ick hab den Eindruck, dass die hier allen dit Gehirn ausje-renkt haben. Dit is schon mal een jutes Zeichen.«
    Am Bootshafen legen nacheinander fünf Ixylon-Jollen an. In jedem Boot sitzen zwei Segelschüler. Ein Mann um die vierzig, den alle »Sachse« nennen, nimmt die Jollen an und gibt in barschem, aber nicht unfreundlichen Ton Anweisungen, wie die Segel zusammengelegt werden sollen.
    »Guten Tag, wir würden uns gern eine Segeljolle ausleihen«, sagt Jonas.
    »Privat jeht das nich. Nur für offizielle Gruppen. Müsst ihr über die FDJ buchen.«
    »Ich kann aber segeln«, hakt Jonas nach.
    »Glowe ich dir. Die Ixys darf ich aber nich rausgeben. Fahrräder und Angelkähne könnt ihr kriegen.«
    »Dann nehmen wir einen Angelkahn«, sagt Fred.
    Der Sachse guckt auf seine Uhr: »Is schon nach viere. Um sechse is Feierabend. Das lohnt nich mehr.«
    »Sollte es später werden«, verspricht Jonas, »dann binden wir das Boot einfach wieder hier im Hafen fest.«
    »Ich muss die Ruder wegschließen. Hier klauen se nämlich wie die Raben.« Der Sachse überlegt kurz und befiehlt: »Kommt mit!«
    Er geht mit Fred und Jonas zu einem Bootshaus direkt am Scharmützelsee. Das hölzerne Haus steht auf Pfählen und ist ein kleines Stück auf den See hinausgebaut. Im Bootshaus schwimmt ein schickes offenes Motorboot vom Typ Trainer mit einem Ar-chimedes-Außenborder. Das schnell aussehende Motorboot aus DDR-Produktion ist ein Traum, der 40-PS-Außenborder aus Schweden eine kleine Sensation.
    Ansonsten dient das Bootshaus als Lagerraum. Die Segelschüler bringen ihre
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