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Nur einen Tag noch

Titel: Nur einen Tag noch
Autoren: Mitch Albom
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berücksichtigt werden. Und sie -«
    »Warst du mit jemand anderem dort?«
    »Oh, Chick... ich bin bei der Arbeit, ja?«
    In diesem Moment fühlte ich mich einsamer als je zuvor, und dieses Gefühl von Einsamkeit machte sich in meiner Lunge breit und schien mir fast den Atem zu nehmen. Es gab nichts mehr, was ich sagen wollte. Nicht dazu. Zu gar nichts.
    »Ist schon okay«, flüsterte ich. »Es tut mir leid.«
    Ein Schweigen entstand.
    »Wohin willst du denn gehen?«, fragte sie.
    Ich legte auf.
     
     
    Und dann betrank ich mich ein letztes Mal. Zuerst in einer Kneipe, »Mr. Ted’s Pub«. Der Barkeeper war ein dünnes Bürschchen mit einem runden Gesicht, vermutlich kaum älter als der Knabe, den meine Tochter geheiratet hatte. Danach ging ich in meine Wohnung und trank weiter. Ich warf Möbel um. Ich bekritzelte die Wände. Ich glaube sogar, dass ich die Hochzeitsfotos in den Müllschlucker geworfen habe. Irgendwann mitten in der Nacht beschloss ich, nach Hause zu fahren, nach Pepperville Beach, wo ich groß geworden bin. Man fuhr mit dem Auto nur zwei Stunden dorthin, doch ich war seit Jahren nicht mehr da gewesen. Ich wanderte durch meine Wohnung, als wolle ich meine Sachen packen. Aber für eine letzte Reise braucht man nicht viel. Schließlich ging ich ins Schlafzimmer und nahm meine Pistole aus der Schublade.
    Ich stolperte in die Garage, stieg ins Auto, verstaute die Pistole im Handschuhfach, warf ein Sakko auf den Rücksitz oder den Vordersitz – vielleicht war es auch schon da, das weiß ich nicht mehr – und raste mit quietschenden Reifen los. Die Straßen waren leer, die Ampeln schon abgeschaltet, und ich hatte die Absicht, mein Leben da zu beenden, wo ich es begonnen hatte. Zu Gott zurückgetrottet kommen. Mehr wollte ich nicht mehr.
    Wir freuen uns, die Geburt von
Charles Alexander
- 3939 Gramm, geboren am 21. November 1949 –
bekannt geben zu dürfen.
     
     
    Leonard und Pauline Benetto
     
     
     
    aus Chick Benettos Unterlagen
    Es regnete leicht und war kalt, aber auf der Autobahn begegnete ich zum Glück niemandem, und ich schlingerte über alle vier Spuren. Man könnte nun glauben und hoffen, dass einer, der so besoffen war wie ich, von der Polizei gestoppt würde, aber das passierte nicht. Einmal hielt ich sogar noch an einem Laden, der die ganze Nacht offen hatte, und kaufte ein Sixpack Bier.
    »Lotterieschein?«, fragte mich der Verkäufer, ein Asiate mit dünnem Schnurrbart.
    Ich hatte es im Lauf der Jahre gelernt, auch volltrunken perfekt zu funktionieren, und nun tat ich so, als würde ich mir das überlegen.
    »Diesmal nicht«, antwortete ich dann.
    Der Mann verstaute das Sixpack in einer Papiertüte. Er hatte dunkle matte Augen, und ich dachte, okay, dieses Gesicht ist das Letzte, das ich auf Erden sehen werde .
    Der Mann schob mein Wechselgeld über die Theke.
     
     
    Als schließlich das Ausfahrtschild für meine Heimatstadt in Sicht kam – PEPPERVILLE BEACH, 1,5 km -, hatte ich zwei von den sechs Bieren intus und eins auf dem Beifahrersitz ausgekippt. Die Scheibenwischer klackten monoton, und ich kämpfte mit dem Schlaf. Während ich über das Ausfahrtsschild nachsann, muss ich irgendwie abgeschaltet haben, denn plötzlich sah ich ein anderes Schild und merkte, dass ich meine Ausfahrt verpasst hatte. Ich schlug aufs Armaturenbrett, wendete mitten auf der Autobahn und fuhr auf der falschen Spur zurück. Es war ohnehin keiner außer mir unterwegs, und es war mir auch einerlei. Ich wollte zu dieser Ausfahrt und trat das Gaspedal voll durch. Kurz darauf kam eine Ausfahrt in Sicht – bei der es sich allerdings um eine Auffahrt handelte -, auf die ich zuhielt. Es war eine dieser endlosen gewundenen Zubringerstraßen, und ich hielt das Lenkrad umklammert und raste vorwärts.
    Plötzlich tauchten zwei gewaltige Lichter vor mir auf wie riesige Sonnen. Eine tiefe Hupe dröhnte los, dann krachte es furchtbar, und mein Wagen schoss über die Böschung und holperte einen Hang hinunter. Überall Glassplitter, Bierdosen flogen herum, ich riss am Lenkrad, der Wagen machte einen Satz, und etwas prallte mir in den Magen. Ich packte den Türgriff und riss daran. Dann nahm ich noch schwarzen Himmel und grünes Gras wahr, ein gewaltiges Donnern und etwas Großes, das herabstürzte.
     
     
    Als ich die Augen aufschlug, lag ich im nassen Gras. Mein Auto war halb verschwunden unter der Reklametafel eines Chevrolet-Händlers. Offenbar war es rückwärts gegen die Tafel geprallt, die daraufhin
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