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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
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kleinbürgerliche Moralpredigerin zu sein, und sie hatte mit einer Litanei seiner Schwächen gekontert: Er sei eitel und faul, passiv und selbstsüchtig und habe keinerlei Willenskraft. Ihre Anschuldigungen schmerzten ihn, weil er wusste, dass sie recht hatte.
    Also beschloss er aufzuhören. Ein für alle Mal. Und zwar ohne Ankündigung, sonst musste er sich nur wieder ihre Zweifel anhören. Aber er würde aufhören.
    Es war ein warmer Morgen, er setzte sich im Unterhemd mit seinem Kaffee auf die Veranda. Kaum hatte er die Zigarette angezündet, kam Melissa rausgeschossen und lief schreiend in seine Arme.
    »Adam lässt mich nicht spielen«, heulte sie. Er nahm sie auf den Schoß, streichelte ihr übers Gesicht und ließ sie weinen, bis sie nicht mehr konnte. Das war das Letzte, was er jetzt brauchte. Ausgerechnet an diesem Morgen. Er wollte die Zigarette ganz entspanntrauchen. Aber man hatte nirgends seine Ruhe. Also spielte er mit ihrem Haar, küsste seine Tochter auf die Stirn und wartete, dass die Tränen verflossen. Melissa sah zu, wie er seine Zigarette ausdrückte und der Rauch verflog.
    »Du sollst doch nicht rauchen, Daddy. Davon kriegt man Krebs.«
    Sie plapperte nach, was sie in der Schule hörte. Seine Kinder kamen kaum mit dem Einmaleins zurecht, wussten aber, dass Rauchen Lungenkrebs verursachte und man durch ungeschützten Sex Geschlechtskrankheiten bekam. Statt mit ihr zu schimpfen, nahm er sie auf den Arm und trug sie ins Wohnzimmer. Adam war mit seinem Computerspiel beschäftigt und sah nicht mal hoch.
    Hector holte tief Luft. Er hätte dem faulen kleinen Mistkerl am liebsten einen Tritt verpasst, setzte seine Tochter dann aber nur neben ihm ab und nahm ihm die Konsole weg.
    »Deine Schwester ist dran.«
    »Sie ist noch ein Baby. Sie kann das nicht.«
    Adam hatte die Arme verschränkt und warf seinem Vater einen rebellischen Blick zu. Sein schwabbeliger Bauch schaute über der Jeans hervor. Aisha behauptete, der Babyspeck würde mit der Pubertät verschwinden, aber da war sich Hector nicht so sicher. Der Junge war besessen von Bildschirmen, er saß entweder vor dem Computer, vor dem Fernseher oder vor seiner Playstation. Seine Trägheit ging Hector auf die Nerven. Er war immer stolz auf sein eigenes gutes Aussehen und seinen durchtrainierten Körper gewesen. Als Teenager hatte er einen ziemlich guten Footballspieler und noch besseren Schwimmer abgegeben. Dass sein Sohn so dick war, empfand er als Beleidigung. Manchmal schämte er sich, mit Adam in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Ihm war bewusst, wie schlimm dieser Gedanke war, deswegen hatte er es nie jemandem gegenüber erwähnt. Trotzdem war er enttäuscht und wies Adam deswegen ständig zurecht. Musst du den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen? Draußen ist es herrlich, warum gehst du nicht raus? Adam reagierte meistens mit Schweigen und Schmollen, und das ärgerte Hector nur noch mehr. Er musste sich auf die Lippenbeißen, um ihn nicht zu beleidigen. Hin und wieder sah Adam ihn dann aber wieder derartig verwirrt und verletzt an, dass Hector vor Scham fast im Erdboden versank.
    »Komm schon, lass sie auch mal.«
    »Die kriegt das eh nicht hin.«
    »Los jetzt.«
    Der Junge warf die Konsole zu Boden, stand schwankend auf, stürmte in sein Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    Melissa fasste nach der Hand ihres Vaters und sah ihrem Bruder nach. »Ich will spielen.« Sie weinte schon wieder.
    »Spiel doch allein.«
    »Ich will mit Adam spielen.«
    Hector griff nach den Zigaretten in seiner Tasche.
    »Du hast genauso ein Recht darauf wie er. Das war unfair von Adam. Er kommt bestimmt gleich und spielt mir dir, warte nur ab.« Er sprach bewusst ruhig, leierte die Plattitüden in einem fast kindlichen Singsang runter, aber Melissa ließ sich nicht besänftigen.
    »Ich will mit Adam spielen«, jammerte sie und drückte seine Hand fester. Sein erster Instinkt war, sie wegzuschieben. Schuldbewusst streichelte er ihr übers Haar und küsste sie auf den Kopf.
    »Hast du Lust, mit mir einkaufen zu fahren?«
    Melissa heulte zwar nicht mehr, wollte sich aber noch nicht geschlagen geben. Sie starrte traurig auf Adams Tür.
    Hector schüttelte seine Hand frei. »Es ist deine Entscheidung, Schatz. Du kannst hierbleiben und alleine Videospiele spielen oder mit mir einkaufen kommen. Was möchtest du lieber?«
    Das Mädchen antwortete nicht.
    »Okay.« Hector zuckte mit den Schultern und steckte sich eine Zigarette in den Mund. »Wie du willst.« Auf dem
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