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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir
Autoren: S. C. Ransom
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Lover in den Fluss geschmissen, weil er das Geschenk seines Rivalen loswerden wollte.«
    »Vielleicht hat er den Armreif auch erst nach dem Rivalen oder dem Mädchen reingeschmissen«, überlegte ich und konnte die Szene fast vor mir sehen: Wie der wütende Lover den Armreif mitsamt dem schweren Stein in den Fluss schleuderte. Der Gedanke ließ mich schaudern.
    Ich nahm den Reif zurück und wünschte mir, dass es eine Möglichkeit gäbe, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Es musste da eine Geschichte geben, und ich sehnte mich danach, sie zu kennen. Welche Hand hatte den Draht festgedreht und den Reif so sicher mit dem Stein verbunden?
    »Jedenfalls bin ich gespannt, ihn zu sehen, wenn er richtig sauber ist«, meinte Grace und unterbrach damit meine Gedanken. »Und wenn wir schon von sauber reden, was willst du denn jetzt machen? So, wie du aussiehst, kannst du nicht in Richmond aufkreuzen.« Sie zeigte auf meine schlammigen Jeans. Jetzt, wo sie es sagte, konnte ich den Schlamm auch ein bisschen riechen. Verstohlen schnüffelte ich noch einmal.
    »Wenn ich mit dem Zug nach Hause fahre, mich umziehe und wieder herfahre, komme ich zu spät ins Kino«, fasste ich zusammen, schaute auf die Uhr und stöhnte. Ich würde nicht einfach nur zu spät kommen, sondern auch den größten Teil des Films verpassen – wenn sie mich überhaupt noch reinließen. So sehr weit entfernt wohnte ich zwar gar nicht, doch an einer sehr langsamen Nebenstrecke, und es fuhr nur ein Zug in der Stunde.
    Ich spürte, wie meine Schultern absackten, als mir klar wurde, dass ich Grace gerade die Gelegenheit gegeben hatte, bei meiner Klamottenauswahl die gute Fee zu spielen. Sie und ich stritten uns schon seit Jahren über meine Meinung, dass – außerhalb der Schule – Jeans zu tragen das einzig Vernünftige war. Grace sah in ihren phantastischen erlesenen Funden aus den Secondhandläden immer umwerfend aus. Sie hatte es echt raus, ihre wunderschöne dunkle Hautfarbe zu betonen. Ich hatte nie die Geduld zu solchen Streifzügen. Selbst meine Mutter hatte aufgehört, mir etwas anderes zu kaufen als die Praktischsten aller Klamotten.
    »Okay!« Ich lachte und gab mich geschlagen. »Mach das Schlimmste draus!« Dann warf ich den Armreif in meinen Rucksack, trank mein Glas leer und hakte mich bei Grace ein, bevor wir die Hauptstraße ansteuerten.
    Dummerweise gibt es in Twickenham jede Menge Secondhandläden, so dass Grace in der glücklichen Lage war, unter unerschöpflich vielen Kleidungsstücken auswählen zu können. Sie stöberte herum, überlegte, hielt mir verschiedene Sachen an und kommentierte alles mit schnalzenden Geräuschen.
    »Also ehrlich, Grace, wenn du nicht einen Zahn zulegst, wäre es schneller gegangen, wenn ich nach Hause gefahren wäre«, stöhnte ich.
    »Ich glaub, ich hab’s!«, verkündete sie triumphierend. »Du kannst dich im Bahnhof umziehen.« Sie bezahlte das letzte Teil und sammelte die ganzen Tüten ein. »Ich bin froh, wenn du aus deinen ollen Klamotten rauskommst. Echt, der Mief wird immer schlimmer.«
    Da konnte ich ihr nur recht geben. In was ich mich auch am Strand gesetzt haben mochte, es roch so, als wäre es schon einige Zeit tot gewesen. Meine Gedanken wanderten wieder zu dem Armreif in meinem Rucksack und meinem inneren Bild von der düsteren Szene, als er in den Fluss geworfen worden war.
    »Hör mal«, sagte ich, während wir zum Bahnhof gingen und die Polizeiwache in Sicht kam, »ich muss einfach melden, dass ich den Reif gefunden hab. Vielleicht ist er wirklich wertvoll, und ich hab keine Ahnung, wem etwas gehört, das man im Fluss findet. Nachher kriege ich noch eine Klage an den Hals, ich hätte den Staat bestohlen.«
    »Könnte schon sein«, meine Grace zweifelnd, »aber wahrscheinlich nehmen sie dir das Ding einfach nur ab.«
    »Vielleicht, aber dann hab ich wenigstens kein schlechtes Gewissen. Komm, das finden wir jetzt raus.«
     
    Die Polizeiwache hatte schon bessere Tage gesehen. Ich stieg die abgetretenen Stufen hoch und holte tief Luft, bevor ich die schwere Tür aufdrückte. Grace kam mir nach und setzte sich vorsichtig auf eine Stuhlkante, wobei sie ganz offensichtlich versuchte, sich nicht zu offensichtlich umzusehen. Sämtliche Einrichtungsgegenstände waren am Fußboden festgenagelt.
    Der Polizist am Empfangsschalter sah so alt aus, dass er fast mein Großvater hätte sein können. Er hatte einen großen Stapel Papiere vor sich, den er nach etwas zu durchsuchen schien. Er ignorierte
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