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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Autoren: Claire Seeber
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sich einbildet, sie wüsste alles besser. Für eine von Charlies Mädchen war sie allerdings vergleichsweise flachbrüstig, fiel mir auf, als ich mich an ihr vorbeischob.
    »Oxford, wissen Sie.« Hatte sie das jetzt wirklich mit näselndem Tonfall gesagt oder bildete ich mir das nur ein?
    »Ah, Oxford«, nickte ich wissend. Das erklärte vieles. Charlie hatte eine gewisse Vorliebe fürs Hochnäsige.
    Bevor ich mich weiter um ihr Wohlwollen bemühen konnte, wie all die »Typen« es früher bei mir getan hatten, waren wir da. »Reiß dich zusammen, Maggie«, sagte ich mir mit Nachdruck. Doch meine Hände zitterten. Es war so ein eigenartiges Gefühl, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen. Das Studio bebte - Menschen, Licht, das Knistern von Adrenalin und Spannung. Die Spannung gipfelte in dem Gefühl, die »Auserwählte« zu sein, um die sich alles drehte. Das Neonlicht ließ alle gleichermaßen gelbsüchtig aussehen und raubte ihren Augen den Glanz, sodass sie wie tot wirkten. Auf einem Tisch standen Croissants. Die Ei-und-Kresse-Sandwiches waren schon am Vertrocknen. Über die weiße Tischdecke zogen sich gelbliche Orangensaftflecken. Was tat ich hier nur? Würden sie in meinem tiefsten Inneren herumstochern? Würden sie entdecken, dass ich meine Seele verkauft hatte? Ich sah mich nach Sally um, dann nach einem Glas Wein - leider war es Charlie, der mich als Erster entdeckte.
    »Maggie, Liebes.« Die Betonung lag auf Liebes, als er mich auf beide Wangen küsste. Sein Gesicht blieb ein paar Sekunden zu lange und zu nahe neben meinem, während der Wulst, zu dem er die Ärmel seines Ralph-Lauren-Pullovers vor der Brust verknotet hatte, zwischen uns baumelte. Sein Aftershave roch mehr denn je nach chemischer Keule.
    »Für einen Drink würde ich jetzt sterben!« Mein Ton war etwas zu fröhlich. Einen Augenblick lang sah ich ihn an. Dann beugte ich mich zu ihm hinüber und fragte: »Bist du wirklich sicher, Charlie, was das angeht? Weißt du, ich kämpfe ein bisschen mit …«
    Sofort griff er nach meiner Hand und drückte sie. Ein wenig zu fest. Seine Pupillen verschwanden hinter einem dichten Schleier. »Du wirst doch jetzt keinen Rückzieher machen, Liebes?«
    Ich zuckte zusammen. Eine Frage war das nicht.
    »Daisy, hol Maggie doch bitte einen Drink. Ein Glas Wein.«
    Die Stiefeldomina lächelte mich an, strich mit einer treffsicher gewählten Geste ihr Haar zurück und holte mir etwas zu trinken. Widerwillig. Sie würde es weit bringen.
    »Was meintest du?« Charlies Gesicht kam wieder näher, sein Haaröl glänzte im Neonlicht. Hatte ich etwas gesagt? »Jetzt fang hier bitte nicht an durchzudrehen, Maggie.«
    »Ich bin echt nervös. Das ist ziemlich …«
    »Aufregend? Ich wusste doch, du würdest mich am Ende verstehen.«
    Hatte ich überhaupt eine Wahl? »Ich wollte nur sagen … Ich weiß nicht, ob …«
    »Stell dich nicht so an.« Er sah mich ungeduldig an. »Das haben wir alle mitgemacht. Das macht nun mal die Show aus.«
    »Was?«
    Er kam noch ein wenig näher, sodass nur ich ihn hören konnte. »Außerdem ist dies deine absolut letzte Chance. Versau’s nicht. Nicht schon wieder.«
    »Aber …«, fing ich an, als ich Sally in den Raum spähen sah. Ich war so froh, sie zu sehen, dass ich viel zu laut ihren Namen rief. Ihr fröhliches, breites Gesicht war ungewöhnlich angespannt. Sie lächelte zurück, aber ohne die Grübchen, die sich normalerweise in ihre Wangen senkten. Offensichtlich war dies ein Stress-Tag.
    »Kleines.« Ihre Augen flogen durch den Raum. »Daisy«, sagte sie, als sie ihr Zielobjekt gefunden hatten. Sie winkte sie herbei und meinte: »Ist der Anti schon aufgekreuzt?«
    »Welcher Anti?«, hakte ich stirnrunzelnd nach.
    »Keine Sorge, der ist nicht für dich gedacht.«
    Ich glaubte ihr kein Wort. Mein Job brachte es mit sich, dass ich mich diesbezüglich keinen Illusionen hingab. Ich hatte jahrelang Menschen belogen, um für Unterhaltung zu sorgen. Es war wie ein Schlag in die Magengrube, als mir bewusst wurde, dass ich dieses Mal die Unterhaltung sein würde. Oh, Gott. Ich schüttelte den Kopf.
    »Sal, ich kann jetzt wirklich keine Live-Kontroverse brauchen. Charlie hat es mir versprochen. Wie nannte er es doch gleich: eine ›heilende‹ Show.« Wem machte ich da bloß etwas vor?
    Sally achtete nicht mehr auf mich, als Renee in den Raum kam. Natürlich blieb sie eine Minute lang an der Tür stehen, um den maximalen Effekt zu erzielen. Sie wusste genau, wie man das bewerkstelligte. Ein
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