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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Autoren: Claire Seeber
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Minuten lang saßen wir still da und dachten an den Mann, der seinen Verstand verloren zu haben schien. Dann klopfte es leise. Eine rosig leuchtende Jenny steckte ihren durchnässten Kopf herein.
    »Wir sind zurück«, meinte sie fröhlich. »Ich könnte ein Pferd verschlingen! All diese Hügel, die wir hinaufgestiegen sind. Braucht ihr etwas, Mädels?«
    »Eigentlich wollte ich jetzt gehen«, meinte Fay und stand auf. »Ich muss heute noch nach London.«
    Wir sahen uns an. Ich streckte ihr die Hand hin, die sie ergriff. Dann beugte sie sich vor und küsste mich auf die Wange. Aus einem Impuls heraus schlang ich meine Arme um sie.
    »Vielen, vielen Dank, Fay«, murmelte ich in ihre Locken, und ich meinte, was ich sagte. »Ich verdanke Ihnen… nun, lassen Sie uns einfach sagen: Ich bin Ihnen etwas schuldig.«
    »Kein Problem. Sie hätten dasselbe für mich getan.«
    Hätte ich das?
    Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen löste Fay sich aus meiner Umarmung. »Dafür sind Freunde doch da. Melden Sie sich mal wieder, okay?«
    Wir wussten wohl beide, dass ich das nicht tun würde. Sie ging zur Tür.
    »Fay …« Meine Stimme hörte sich an wie ein Reibeisen, aber ich musste es einfach wissen.
    Sie drehte sich um, die Hand bereits am Türgriff.
    »Dann gibt es am Ende also«, sagte ich so cool wie nur möglich, »eine gewisse Symmetrie zwischen uns, nicht wahr?«
    »Was meinen Sie damit?« Die süße Stirn runzelte sich unter dem dunklen Pony.
    »Nun, ich und der irre Seb. Sie und … Sie und Alex.«
    Fay starrte mich verständnislos an. »Was meinen Sie mit ›ich und Alex‹? Da haben Sie wirklich einiges in den falschen Hals bekommen, Maggie. Ganz ehrlich: Sie sind doch ein klein bisschen dumm. Er will Sie, nicht mich.«
     

Kapitel 47
    »Narzisstische Persönlichkeitsstörung«, meinte Sally manierlich, während sie sich eine meiner Trauben in den großen Mund schob und mir mein Mitbringsel erst mit Verspätung überreichte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Was?«
    »Wir haben darüber eine Talkshow gemacht. Erinnerst du dich? Narzissten - Männer, die sich zu sehr lieben. Da war doch dieser gut aussehende Surfer dabei. Wir haben ihm fünfhundert Pfund für seinen Auftritt bezahlt - ich weiß das noch, weil Charlie deswegen stinksauer war. Er hatte auch Probleme damit, seine Wut zu kontrollieren, wenn ich mich recht erinnere.« Sie nahm sich eine weitere Traube. »Der Surfer, nicht Charlie.«
    »Der war aber doch kein Surfer, oder?«, warf ich bedauernd ein. »Das war der Fensterreiniger aus Dagenham. Er hieß Keith.«
    »Ja, stimmt. Aber er sah wie ein Surfer aus. Und er litt auch unter Größenwahn.«
    Ich dachte an Sebs Fahrer, den Armani-Anzug, das Restaurant und das teure Hotel. Ich hatte mich nie gefragt, woher das alles kam. Es passte einfach zu dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich nie gesehen hatte, wie er lebte. Ich dachte damals, ich würde ihn aus irgendeiner Fernsehsendung kennen. Erst jetzt erinnerte ich mich, dass ich ihm zum ersten Mal wohl schon im Krankenhaus begegnet war. Er hatte vermutlich Fay besucht. Er war der junge Mann mit der Regenkappe, dessen Telefon mir genau vor die Füße gefallen war.
    Ich dachte an all die Talkshows, die ich schon produziert hatte, an die ganze Dreigroschenpsychologie und die Menschen, die nicht exakt das waren, was sie zu sein schienen. Jemand wie Seb, der ohnehin schon am Rande des Nervenzusammenbruchs lebte, konnte von einer machthungrigen Moderatorin wie Renee Owens ohne Weiteres den letzten kleinen Stoß erhalten.
    »Seb hätte Hilfe gebraucht«, sagte ich ruhig. »Und keine frustrierte Säuferin. Dann hätte er die Trennung vielleicht verkraftet. Offensichtlich hatte er massive Probleme mit seiner Mutter. Ich glaube, sie hat ihn … Fay meinte, es wäre zu Gewalt gekommen. Und das war wohl die Wurzel allen Übels.« Ich sah die verschrumpelten Traubenskelette an, die Sally mir übrig gelassen hatte. Ich dachte an das letzte Telefongespräch, als ich ihm gesagt hatte, er solle nicht nach Pendarlin kommen. »Vielleicht … vielleicht wäre ja alles anders gekommen, wenn ich ihn nicht zurückgewiesen hätte.« Dann dachte ich an die Textnachrichten, die Blumen, die verwüstete Wohnung und seine Versuche, mir einzureden, ich sei auf dem besten Weg, den Verstand zu verlieren. Ich sah Sally an. »Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht, oder?«
    »Nein, Maggie.« Sie schüttelte den Kopf und warf die Überreste der Trauben in
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