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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition)
Autoren: Nicholas Lake
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nun einmal ist, wie es ist. Ich wusste, dass Wasser bergab fließt und Luft ihren Druck verliert, wenn sie sich ausdehnt.
    Ich verstand auch einige andere Zusammenhänge.
    Wenn man älter wird, wird man klüger.
    Geld schenkt Sicherheit.
    Menschen, die sterben, sind so alt wie meine Oma und mein Opa.
    Ich dachte, ich wüsste über diese Dinge ebenso gut Bescheid, wie ich wusste, dass ein Behälter irgendwann überläuft, wenn man lange genug Wasser hineingießt.
    Das war ein Irrtum.

2 An diesem und am nächsten Abend unternahm ich das Naheliegende: Ich ging auf die Rolle. Die Schulverwaltung hatte natürlich meinen Dad angerufen, und der hatte mir mindestens ein Dutzend Nachrichten hinterlassen und sogar eine SMS geschickt, war aber nicht von der Arbeit nach Hause gekommen, um persönlich mit mir zu sprechen.
    Seine Nachrichten waren komisch.
    Sie begannen mit:
    Ich bin so enttäuscht von di r …
    Ich dachte, du seist klüge r …
    Es ist deine Zukunft, die du wegwirfs t …
    Dann folgte unweigerlich etwas wie:
    Ich weiß ja, dass du es nicht leicht has t …
    Vielleicht kannst du die Prüfung nächstes Jahr wiederhole n …
    Lass uns darüber rede n …
    Ich ließ sie alle unbeantwortet.
    Am dritten Abend nach der Prüfung kam ich spät und betrunken mit dem Taxi nach Hause – gerade so, wie die Stiefmutter achtzehn Monate zuvor in unser Leben getreten war.
    Ich wusste, wie ich die Treppe hinaufsteigen musste, damit die Stufen nicht knarrten. In meinem Zimmer streckte ich mich auf dem Bett aus, während sich die Wände um mich drehten. Dann hörte ich ein Gemurmel. Schwerfällig stand ich auf und presste das Ohr an die Wand. Die Stiefmutter sprach.
    »… wird immer selbstzerstörerischer«, sagte sie.
    »Murmelmurmel«, antwortete mein Dad.
    »Aber was ist, wen n … wenn es genetisch is t ?«, fragte die Stiefmutter. »Meinst du nich t … etwa s … eine Therapie vielleich t ? Meine Güte, hast du die Scheußlichkeiten in ihrem Gesicht gesehen?«
    »Murmel«, erwiderte mein Dad. »Nur zwei Teilprüfungen bestande n … Keine Aussichten mehr auf die Royal Academ y …«
    Ich zog mich von der Wand zurück, als hätte mich eine Wespe gestochen, und berührte den Stift in der Augenbraue. Ich zerstöre mich doch nicht selbst, dachte ich. Ich setze Zeichen.
    Aber entsprach das auch der Wahrhei t ? Ich wusste, warum ich laute Musik, das Trinken und das Rauchen mochte: Dabei verschwand ich selbst, und sei es nur für einen kurzen Moment.
    Bei Gott, dachte ich. Wenn es nun tatsächlich genetisch is t ? Ich dachte an die Narben auf Moms Armen und meine Piercings.
    In dieser Nacht schlief ich nicht.
    Als ich am nächsten Morgen nach unten ging, saß die Stiefmutter am Küchentisch und wartete auf mich. Zuerst dachte ich, sie wolle mich wegen des vergangenen Abends zur Rede stellen, aber das tat sie nicht. Vielmehr deutete sie auf den Stuhl, der ihr gegenüberstand.
    »Setz dich doch, Amy!«, sagte sie. »Wir müssen etwas besprechen. Dein Dad wollte es dir selbst sagen, aber er musste wegen einer dringenden Sitzung früh zur Arbeit.«
    Ich betrachtete den Tisch, der mit Landkarten bedeckt war. Draußen lag die Allmende von Ham und glitzerte vor Tau. Mom hatte die Fenster gemocht, die die ganze Wand einnahmen, weil sie so viel Licht hereinließen.
    »Was?« Ich betrachtete die Karten. »Wollt ihr mich wegschicken?«
    »Nein«, antwortete sie mit gerunzelter Stirn. »Erinnerst du dich noch an die Jacht, die dein Dad erwähnt ha t ?«
    Ich hatte einen Kater und fand die ganze Szene surreal.
    »Was für eine Jach t ?«
    »Die Daisy May . Erinnerst du dich nich t ?«
    Mir fiel ein, dass Dad an einem der wenigen Abende, an denen wir gemeinsam zu Hause gewesen waren, ein Boot erwähnt hatte, das er vielleicht kaufen wollte, um rund um die Welt zu segeln.
    »Ich glaube schon«, antwortete ich.
    »Tja«, erklärte die Stiefmutter. »Er hat sie gekauft.«
    »Er hat sie gekauf t ?«, wiederholte ich verwirrt.
    Mir schoss ein verrückter Gedanke durch den Kopf: Dad hat sich schon wieder eine neue Frau gekauft. In gewisser Weise konnte man ja sagen, dass er auch die Stiefmutter mit dem Schmuck von Cartier und den Louboutin-Schuhen gekauft hatte.
    »Die Jacht«, klärte sie mich auf. »Er hat sie gekauft.«
    Ich setzte mich. Die Karten verschwammen mir vor den Augen. Eine Jacht. Na gut, das war normal.
    »Und?«, fragte ich nach. Meine Stimme klang sogar noch mürrischer, als ich beabsichtigt hatte. »Er kauft dauernd irgendwelche
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