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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt
Autoren: Lincoln Child
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Gletschertal in einem sanften Bogen gefolgt, und der Haupteingang der Basis war hinter dem Sicherheitszaun in Sicht gekommen. Die Computerspezialistin der Expedition, Penny Barbour, stand in Jeansund einem karierten Flanellhemd auf dem betonierten Vorfeld zwischen dem Wachhaus und der ins Gebäudeinnere führenden Doppeltür. Ihre kurzen, mausbraunen Haare hingen ihr schlaff in die Stirn. Neben ihr stand Paul Gonzalez, der diensthabende Sergeant des winzigen Außenpostens, der die Fear Base einsatzfähig hielt.
    Vier Gestalten in schweren Parkas mit Hosen aus Polarbärenfell und Mukluks aus Tierhaut umringten die beiden. Eine der Gestalten hielt ein Gewehr, die anderen trugen Speere oder Bögen auf dem Rücken. Obwohl ihre Gesichter nicht zu sehen waren, war Marshall sicher, dass sie amerikanische Ureinwohner aus dem kleinen Lager weiter im Norden waren.
    Marshall war nicht sicher, ob er Neugier oder Besorgnis empfinden sollte. Die Gruppe beschleunigte ihre Schritte. Schon seit einem Monat waren die Wissenschaftler vor Ort, ohne bisher Kontakt mit den Indianern gehabt zu haben. Tatsächlich wussten sie nur deswegen von ihrer Existenz, weil die Soldaten in der Basis sie einmal erwähnt hatten. Warum sollten sie ausgerechnet den heutigen Tag ausgewählt haben, um der Station einen Besuch abzustatten?
    Als die Wissenschaftler den Zaun und das leerstehende Wachhaus passierten, wandte sich die Gruppe auf dem Vorplatz zu ihnen um. «Diese Bande hier hat vor nicht mal zwei Minuten angeklopft», sagte Barbour in ihrem breiten Nordlondoner Akzent. «Der Sergeant und ich sind rausgegangen, um sie zu begrüßen.» Ihr freundliches Gesicht wirkte ein wenig verkniffen und besorgt.
    Sully sah Gonzalez an. «Hat es so etwas schon einmal gegeben?», fragte er.
    Gonzalez war Mitte fünfzig und stämmig und strahlte denscharfsichtigen Fatalismus eines Berufssoldaten aus. «Noch nie», antwortete er. Er hakte sein Funkgerät vom Gürtel, um die übrigen Soldaten zu alarmieren, doch Sully schüttelte den Kopf.
    «Das wird nicht nötig sein, Sergeant», sagte er, dann wandte er sich an Barbour: «Sie machen besser, dass Sie ins Warme kommen.» Er sah ihr hinterher, bis sie hinter der Tür verschwunden war, dann räusperte er sich und drehte sich zu den Gästen um. «Möchten Sie hereinkommen?», fragte er, indem er jedes Wort sehr langsam und deutlich aussprach und zur Tür deutete.
    Die Ureinwohner antworteten nicht. Es waren drei Frauen und ein Mann, bemerkte Marshall, und der Mann war sehr viel älter als die Frauen. Sein Gesicht war von den vielen Jahren in Kälte und Sonne verschrumpelt, und die Haut sah ledrig aus. Seine Augen aber waren von einem klaren, tiefen Braun. Er trug große Ohrringe aus Tierknochen, wunderbar detailliert geschnitzte Stücke, und im Fell seines Kragens steckten Federn. Seine Wangenknochen waren tätowiert, also musste er ein Schamane sein. Gonzalez hatte ihnen erzählt, dass die Gruppe ein Leben in ungewöhnlicher Einfachheit führte. Marshall warf einen Blick auf die Speere und Tierhäute.
So
einfach hatte er es sich nicht vorgestellt.
    Für einige Sekunden senkte sich ein unbehagliches Schweigen über die Gruppe. Nur das Brummen der Generatoren ganz in der Nähe war zu hören. Dann sprach Sully erneut: «Sie kommen aus der Siedlung im Norden, richtig? Das ist ein weiter Weg, und Sie sind sicherlich müde. Können wir irgendetwas für Sie tun? Möchten Sie etwas zu trinken oder zu essen?»
    Keine Antwort. Sully wiederholte seine Worte, langsamund nachdrücklich, als spräche er zu einem Schwachkopf. «Ihr mögen essen? Trinken?»
    Als keine Antwort kam, wandte sich Sully mit einem Seufzer ab. «Wir kommen nicht weiter.»
    «Diese Eingeborenen verstehen wahrscheinlich kein Wort von dem, was Sie sagen», meinte Gonzalez.
    Sully nickte. «Und ich spreche kein Inuit.»
    «Tunit», sagte der alte Mann.
    Sully drehte sich hastig zu ihm um. «Wie bitte?»
    «Nicht Inuit. Tunit.»
    «Es tut mir sehr leid, aber ich habe noch nie von den Tunit gehört.» Sully klopfte sich leicht auf die Brust. «Mein Name ist Sully.» Er stellte Gonzalez und die Wissenschaftler ebenfalls mit Namen vor. «Die Frau von eben ist Penny Barbour.»
    Der alte Mann berührte seine eigene Brust. «Usuguk.» Er sprach es
U-suuuu-
guhk aus. Die Frauen stellte er nicht vor.
    «Erfreut, Sie kennenzulernen», sagte Sully. «Möchten Sie vielleicht hereinkommen?»
    «Sie haben gefragt, ob Sie etwas tun können für uns», sagte Usuguk, und
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