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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter
Autoren: Nuhr auf Sendung
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diesen legendären Auftritt hatte,
wo er nackt auf dem Tisch tanzte, die Vorteile der Geschlechtslosigkeit anpries
und sich dann vor laufender Kamera mit einem Nagelknipser selbst entmannt hat?«
    Nein. Das war nicht Andy Warhol. Das war auch nicht der
19-jährige Schweißerlehrling aus Hoyerswerda, der sich seine Weisheitszähne
live bei »Wetten dass ... ?« selbst gezogen hat - und zwar endoskopisch mit der
Zange durch die Ohren in den Rachenraum. Der Saal hat getobt. Sie erinnern
sich? Und dann hat er sich doch als Zugabe selbst den Blinddarm rausgenommen,
in Formaldehyd eingelegt und später genau diesen Blinddarm in irgendeiner
Kochsendung mit Käse überbacken, die Menschen haben tagelang über nichts
anderes gesprochen. Heute erinnert sich keine Sau mehr an ihn. Aber das war
auch nicht der Andy Warhol.
    Andy Warhol hat damals eine Suppendose als Kunstwerk ins
Museum gestellt. Das war echt ein Bildnis unserer Zeit, in der das Banalste
verehrt wird, wenn es nur zur rechten Zeit am rechten Ort ist. Und damit wäre
er für mich allein schon eine lebende Legende, wenn er nicht schon so tot
wäre. So kann's kommen. Da ist man unsterblich und ist trotzdem tot - sehr
unerfreulich.
     
    Freie Liebe 12. Juli 2000
    Im Grunde sollte man das Leben viel lockerer nehmen; alles
ganz easy, wie die Kinder auf dem Spielplatz - die nehmen alles spielerisch.
Wenn da einer dem anderen die Schaufel wegnimmt, dann wird nicht verbissen
diskutiert. Da gibt's was auf die Fresse, und der Stärkere kriegt die Schippe,
fertig. Ganz easy.
    So muss man das Leben nehmen - wie die Hippies früher,
locker, lässig; zum Beispiel freie Liebe, das war doch eine Superidee! Damals
musste ja jeder jeden lieben, da war Ekel gar kein Argument.
    Da erforschte man sich gegenseitig, denn damals wusste man
ja noch nicht so Bescheid wie heute, wo man ständig irgendwelchen Gestalten
beim Sex zusehen muss. Wenn man heute keinen Sex sehen will, dann muss man ja
schon alle Türen und Fenster schließen und die elektrischen Geräte ausschalten.
    Aber damals? Wir waren doch mit 18 froh, wenn wir ungefähr
wussten, wo die Geschlechtsorgane sitzen. Heute muss man alles ganz genau
wissen, heute wollen die Frauen G-Punktmassage, Kamasutrakenntnisse und
multiple Orgasmusgarantie, und das muss man alles vorher unterschreiben!
    Deshalb sind viele Männer heute unsicher und sagen sich:
»Moment mal, da liegt ja gar keine Bedienungsanleitung bei... Da mach ich es
mir lieber selbst, bevor ich was kaputt mache.« Frauen sind soooo kompliziert!
Männer sind da anders, wie Automaten: Du wirfst oben was rein, dann kommt unten
was raus - aber Frauen sind komplex konfigurierte Maschinen, und wenn da erst
einmal der falsche Treiber geladen ist, zack, schon kommen die ersten
Fehlermeldungen, »Anwendung reagiert nicht mehr«, und am Ende hängt das ganze
System.
    Früher war das lockerer - natürlich auch nicht für alle.
Für viele war Sex damals eine politische Aktion, man dachte beim Orgasmus nicht
an Verona Feldbusch, sondern an Rudi Dutschke. Das war auch nicht gut. Viele
Frauen können ja bis heute überhaupt nur dann einen vaginalen Orgasmus bekommen,
wenn man verspricht, nicht wieder kurz vor dem Höhepunkt »Kämpfen für den
Vietkong« zu brüllen. Das als kleiner Tipp für die Veteranen der freien Liebe
...
     
    Mehr Schein als Sein 24. Juli 2000
    Was für ein komischer Tag. Eben stand ich im Badezimmer
und dachte darüber nach, wie seltsam es ist, dass alles im Universum aus
kleinsten Teilen zusammengesetzt ist, aus Quarks, Neutrinos, Leptonen und so
weiter. Das ganze Universum besteht ja aus Elementarteilchen, und die haben
nichts Besseres zu tun, als sich in meinem Badezimmer zusammenzufügen zu Haaren
im Ausguss. Wahnsinn!
    Deswegen hat ja schon Platon gedacht, die ganze Welt sei
nur ein Schein, ein Widerhall der göttlichen Ideen, die in unseren Köpfen
stecken. Weil die Wirklichkeit so unwahrscheinlich ist. Wie wahrscheinlich ist
es denn, dass sich Milliarden kleinster Teile, die sich in jeder Galaxie des
Universums aufhalten könnten, dass die sich ausgerechnet in meiner Duschtasse
treffen, um da den Ausguss zu verstopfen?
    Da wäre es ja im Grunde noch wahrscheinlicher, dass der
Klempner, den ich deshalb bestellt habe, zum vereinbarten Termin auch wirklich
kommt. Das wäre - teilchenphysikalisch betrachtet - gar nicht so
unwahrscheinlich, und trotzdem weiß jeder physikalische Laie: Solange
Naturgesetze gelten, kommt ein Klempner nie, wenn man ihn
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