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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter
Autoren: Nuhr auf Sendung
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man
noch ein Studienrat in Frühpension, schon ist man ein großer, fetter Fladen ...
    Das ist der Mensch: Verdauung. Das ist mir letzte Woche
erst wieder richtig bewusst geworden, als ich in einem wunderbaren Wiener
Kaffeehaus war und dort für 45 Schilling eine Melange mit herrlich cremigem
Milchschaum getrunken habe. Dann ging ich auf das Pissoir, wie der Werner so
schön treffend formuliert, und ich denk, ich seh nicht recht: Da war er wieder,
der Kaffee, aber in was für einem Zustand! So trostlos floss er dahin, fahlgelb
wie der Vollmond, der uns in klaren Nächten angrinst, um uns zu sagen: »Hallo,
ich bin vielleicht bloß ein Vollmond und hänge hier sinnlos rum, aber ich fühl mich
wohl und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen.«
    Ja, so ist der Mond. Daran sollten wir uns ein Beispiel
nehmen. Der denkt da gar nicht drüber nach. Im Grunde ist das Altersweisheit.
So ist das nämlich, wenn man erst mal ein paar Millionen Jahre dumm im Weltall
rumgehangen hat, dann relativiert sich vieles.
    Ich muss jetzt aber los und Weihnachtsgeschenke kaufen,
damit ich Heiligabend nicht wieder zu spät bin. Wenn ich dann noch lebe.
     
    Kellnerinnen 7. Feb ruar 2000
    Ich war gestern im Café. Und ich muss sagen: Ich hasse es,
als Mann so ignoriert zu werden. Ich saß da, die Kellnerin guckte. Und stand.
Und dann guckte sie wieder - auf die leeren Tische. Ich glaube, das lernt man
in der Kellnerausbildung als Erstes: Blickkontakt mit den Gästen nur im Notfall.
Man kennt das auch von bestimmten Reptilien, dass sie an ihrem Opfer vorbeigucken,
um es in Sicherheit zu wiegen.
    Da kannst du winken, nicken, lächeln, das bringt nichts.
Sie schaut ins Nichts mit diesem Blick, der sagt: »Ich bin nur aus Versehen hier,
ich bin eigentlich Model ...« Ein Blick, der unbedingte Freude an der Arbeit
ausdrückt und dem Gast mitteilt: »Dich zu bedienen ist besser als Beulenpest -
aber gegen Typhus würde ich tauschen!« Ein Leidensblick, den man in der spätgotischen
Malerei häufig sieht: »Maria bei der Kreuzigung«.
    Erst habe ich gedacht, sie wäre ausgestopft ... sie stand
da so unbewegt im Weltall herum. Es ist ja bei schönen Menschen oft so, dass
ihre Schönheit mit ihrem Ödnisfaktor korreliert. Es gibt Menschen, da würde es
gar keinen Unterschied machen, wenn man sie ausstopft. Wäre das nicht überhaupt
ein großer Vorteil, wenn man Menschen öfter einmal ausstopfen würde? Die könnte
man dann so in die Diele stellen, und dort würde man dann auch nicht ungerechte
Erwartungen an sie stellen, wie zum Beispiel, dass sie etwas Interessantes
sagen ...
    Und als ich so dasaß und darüber nachdachte, geschah das
Ungeheuerliche. Plötzlich! Sie bewegt sich! Auf mich zu! Und vorbei...
    Irgendwann konnte ich dann doch bestellen - ich weiß nicht,
wie lang es gedauert hat, ein paar Tage vielleicht. Einen Cappuccino habe ich
bestellt, und zack, kaum bestellt, schon stand er da, dampfend! Auf der Theke.
Irgendwann hörte er dann auf zu dampfen. Kühlte ab. Verdunstete. Und schon
brachte sie ihn ...
    Aber das war nicht irgendein Cappuccino, das war ein
Memento mori, denn dieser Cappuccino sagte mir: »Mensch, bedenke! So wie ich
kalt geworden bin, so wirst auch du erkalten!« Und da wurde mir klar: Wenn die
Rechnung so lang braucht wie die Bestellung, dann wird das noch hier im Café
passieren.
    Ich bin dann ohne zu zahlen gegangen und glaube bis heute:
Das war der einzige Grund, warum ich überlebt habe ...
     
    Männer 14.
Februar 2000
    Wir Männer haben es ja nicht leicht. Es wird oft viel zu
viel von uns erwartet: Immer sollen wir stark sein und erfolgreich, dabei haben
wir uns schon früher bei der Seepferdchenprüfung in die Badehosen gemacht.
    Dann das erste Mal ... und schon mussten wir wissen, wo
alles ist, weil einem ja keiner was erklärt, weil man als Mann ja auch nicht
fragen darf, weil die anderen Männer ja auch schon immer alles wissen ... Wir
müssen ja immer alles gleich können.
    Und das, was wir können, das wird uns verboten: im Stehen
pinkeln, die Socken falsch rum anziehen oder Haare in den Ohren haben. Warum
dürfen wir Männer keine Haare in den Ohren haben? Frauen haben auch Haare an
Stellen, wo sie gar nicht hingehören, zum Beispiel am Bauchnabel und manche
sogar derart unter den Armen, dass man denkt: »Guck mal, die Frau bringt gerade
zwei Flokatis in die Reinigung.«
    Der Mensch an sich ist unvollkommen. Sicher, in der
Schöpfung ist er einzigartig, aber das sind Quallen auch. Dafür können
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