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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Autoren: Unknown
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zusammenhält!“
    „Das
ist keine wissenschaftliche Herangehensweise“, sagte Micha Fuentes.
    „Ich
scheiße auf dein Verständnis von Wissenschaft!“
    „Pfründe!“,
piepste Mei, äußerlich gelassen und sichtlich stolz darauf, das seltene Wort
parat zu haben. "Hier werden Pfründe verteidigt, und das benachteiligt die
junge Wissenschaftlergeneration. Ich bin für die Abschaffung der
Analogdokumenation.“ Sie war erst vor vier Monaten ans Institut gekommen und
hatte die Goldtalergruppe von Gonzales übernommen, der sich im Wodkarausch in
seiner Privatwohnung in Kureijka erhängt hatte.
    „Wie
wär's, wenn du erst mal um Redeerlaubnis bitten würdest, du feuchtes Küken?“,
blaffte John. „Zu grün, um den Weg in die Kantine zu finden, aber den
Revolu-tionär spielen, das haben wir gern. Mao lässt grüßen!“
    „Das
ist Diskriminierung!“, rief Mei Jiao. „Das ist Rassismus!“
    „Ja,
auf Slogans versteht ihr euch immer noch, ihr Fahnenschwenker! Mimose! Kleingeist! Korinthenkacker !“
Johns schwarzer Wutgecko war von der Schulter auf den Tisch gesprungen, sperrte
das Maul auf und verstärkte Johns Verbalinjurien wie ein Megaphon. Hannas
Python fauchte, Robbie knurrte, Rubin das Äffchen hatte den Notizblock
weggeworfen und sich schützend vor seinen hilflos fuchtelnden Herrn gestellt.
Alle brüllten durcheinander. Die beiden Forscher, deren Name Frank entfallen
war, schüttelten synchron die Köpfe. John beugte sich über die Tischplatte vor
und versuchte Mei Jiao zu packen, die so heftig zurückwich, dass sie mitsamt
dem Stuhl nach hinten kippte. Hanna Merlin warf Visitenkarten mit ihren
Sprechstundenzeiten wie Konfetti ins Gewühl und flüchtete mitsamt ihrem EG zum
Ausgang. Frank und Robbie schlossen sich ihr an.
    Es
war ein ganz normaler Morgen.
     
    Es
klopfte.
    „Das
ist dein Date“, sagte Robbie. Er lag auf seiner Kuscheldecke, hatte sich in die
Steckdose eingestöpselt und schaute zu, wie Frank seine Mails las.
    „Keine
Lust. Mach du auf und sag den Termin ab.“ Die Sitzung hatte ihn erschöpft.
Beinahe war er so weit, bei Hanna um einen Termin anzufragen.
    „Ich
bin ein Hund“, sagte Robbie. „Brave Hunde öffnen keine Türen. Die Dame könnte
einen Schock bekommen.“
    Frank
erhob sich seufzend. „Wie heißt die Reporterin gleich noch?“
    „Helen
Versace.“
    „Klingt
französisch…“, sagte Frank. „Na schön.“
    Er
öffnete die Tür und sah sich einer blondhaarigen molligen Dame in den
Sechzigern gegenüber. Sie war mit einem anthrazitfarbenen, etwas
unvorteilhaften Zweiteiler bekleidet, trug eine randlose Brille mit starken
getönten Gläsern, dazu Ohrclips aus grünem Glas und eine kleine Ledertasche
über der Schulter. Neben ihr stand ein grau-weißer Marabu mit nacktem Kopf, der
ihr bis zur Hüfte reichte.
    „Bonjour,
Madame Versace, je souis enchanté. Entrez, s'il vous plaît.“
    „Guten
Tag, Frank. Wir können gern deutsch sprechen. Kennst du mich noch?“
    Er
stutzte. Kniff die Augen zusammen. Wollte nicht wahrhaben, dass er die
Besucherin kannte. Sollte diese alt gewordene Frau etwa Helen sein, die Helen,
seine Helen? Damals hatte sie Witherspoon geheißen.
    „Helen?“
    „Ja,
Frank, ich bin's. Und sag bloß nicht, ich hätte mich gar nicht verändert.“
Schwankend wie ein Fieberkranker ließ er sie und den Marabu eintreten, schloss
mechanisch die Tür, geleitete sie zum Sofa, forderte sie zum Platznehmen auf.
Er selbst setzte sich auf einen Stuhl, und weil ihm keine Bemerkung einfiel, die
der Situation angemessen gewesen wäre, sagte er: „Weshalb ausgerechnet ein
Marabu? Ich hätte mich weniger gewundert, wenn es ein –“
    „Ich
weiß, Marabus sind hässlich. Man liebt sie nicht wegen ihres Äußeren, sondern
wegen ihrer Art. Ich war öfter in Afrika, weißt du, und habe sie in der freien
Wildbahn beobachtet.“
    Es
war ihre Stimme, es war ihr Lächeln, es waren ihre Augen. Alles wurde wieder
lebendig in diesem einen Moment, als wäre es nicht in einem anderen Leben
gewesen, sondern erst gestern. Sie hatten in Berlin Physik studiert, und da sie
beide keinen Reisepartner für den Urlaub hatten, waren sie gemeinsam erst nach
Moskau geflogen und von dort aus mit der Transsibirischen Eisenbahn
weitergereist. An einem namenlosen See in der Nähe von Kureijka waren sie
einander näher gekommen, in jener magischen Nacht. Die irre Koinzidenz hatte
sie zusammengeschweißt und Helen dank ihrer Fotos weltberühmt gemacht.
Irgendwann hatte sie dann die Laufbahn
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