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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Autoren: Unknown
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bindende Empfehlung an den Verwaltungsrat.
Wer möchte etwas dazu sagen?“
    Einen
Moment lang herrschte verdutzte Stille, dann sagte John Gross: „Welches
Arschloch hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt? Warst du das, Micha?“
    „Ich
muss doch sehr bitten, Kollege.“
    „Nicht
in diesem Ton, John!“, sagte Borshakow. „Die Forschungsmittel sind nun mal
knapp, und es ist nicht damit zu rechnen, dass sich in nächster Zeit etwas
daran ändern wird. Wir liefern zu wenig Ergebnisse. Die öffentliche
Aufmerksamkeit …“
    „Ohne
Geld keine Ergebnisse, ohne Ergebnisse keine Aufmerksamkeit, ohne
Aufmerksamkeit kein Geld“, sagte Gil Antonini, die so lange in die Okulare
ihrer Beobachtungsgeräte geschaut hatte, dass sie ganz runde Augen hatte. Es
ging das Gerücht, sie habe mit John, der mit einer Elektronischen Indianerin
zusammenlebte, die er allerdings nie zu den Meetings mitbrachte, in ihrer
Anfangszeit mal einen flotten Dreier hingelegt. „Da beißt sich doch die Katze
in den Schwanz. Wie sollen wir vernünftige Arbeit leisten, wenn es an der
erforderlichen Unterstützung mangelt? Wir leben hier wie auf der Insel der
Verbannten, dabei sollten wir die Avantgarde der Menschheit sein, allseits
geschätzt, bewundert, geliebt.“
    „Amen“,
brummte Micha Fuentes. „Träum weiter, mein Kind.“ Während die anderen sich
kabbelten, beobachtete Frank Mei Jiao, die etwas auf ihr IPad kritzelte;
vermutlich hatte sie Gils Redewendung nicht verstanden. Dabei glich sie mit
ihrem geheimnisvoll leeren und scheinbar alterslosen Gesicht selbst einer
Katze. Sie würde ihn später fragen, was der Ausdruck bedeuten sollte.
    „Entschuldigung“,
meldete Hanna Merlin, die Psychologin, sich zu Wort, „aber ich habe den
Eindruck, die Diskussion zerfasert. Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig
fokussieren, sonst sitzen wir morgen noch hier.“
    „Ich
bin fokussiert“, erklärte John, mit dem Zeigefinger den Gecko auf seiner
Schulter streichelnd. Eben noch war er grün gewesen, jetzt  färbte er sich
rot-schwarz. „Und ich bin aufgebracht. Ist euch eigentlich klar, dass die
dreißig Jahre alten Originaldaten schon jetzt nicht mehr lesbar sind? Vierzehn
Mal wurden sie inzwischen umkopiert und viermal umformatiert, mitsamt aller
Kopierfehler und Altersmängel. Wir türmen Terabyte auf Terabyte, ein gewaltiger
Turm des Wissens, aber je weiter er in die Höhe wächst, desto morscher wird das
Fundament. Wissenschaft gründet auf Daten! Wenn die Daten degenerieren, können
wir gleich Mythenforscher werden. Nein, das einzig Verlässliche sind analoge
Daten, verstaubte, archivierte und jederzeit zugängliche Akten. Die wird es noch
geben, wenn die Leute schon nicht mehr wissen, was ein Computer ist. Und ich
werde nicht dulden, dass der Baum gefällt wird, auf dem wir alle sitzen,
verdammt noch mal!“
    „Ich
finde es immer wieder erstaunlich, zu welchen Metaphern unser Oberarchivar sich
aufzuschwingen vermag“, höhnte Fuentes. „Da sage noch einer, Akten seien
staubig und trocken.“
    Borshakow
klopfte auf den Tisch. „Datenfraß ist nicht das Thema, ebenso wenig die
Sicherung obsolet gewordener Arbeitsplätze. Tut mir leid, John. Die analoge
Archivierung ist einfach zu teuer. Wenn ich mir vorstelle, dass selbst das
lausige Protokoll dieser Sitzung - entschuldige, Rubin – gelesen, kopiert,
transportiert, registriert und im Archiv bis zur Verrottung abgelegt und
unterdessen auch noch klimatisiert wird, erscheint es mir ganz einleuchtend –“
    „Das
Thema, das Thema!“, rief Delavigne und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Das
eigentliche Thema, um das es gestern ging, heute geht und morgen und übermorgen
gehen wird, ist das Verbot invasiver Forschung. Diese Sesselfurzer von der Uno
haben uns vor dreißig Jahren gesagt, jetzt sucht mal schön den Weg, aber
abgesetzt haben sie uns in einer verdammten Sackgasse! Wir kommen nicht weiter,
verflucht noch mal! Unsere hochgeschätzten Archivare verwalten den Stillstand,
und das ist eine Verschwendung von Ressourcen, ein unerträglicher Zustand für
einen Wissenschaftler!“
    „Und
was würdest du machen, wenn das Verbot fallen würde?“, blaffte Borshakow.
„Hämmern, bohren, meißeln, sprengen?“
    „Ja,
sprengen, wenn's sein muss! Ich bin zu jung für die Art von
Beschäftigungstherapie, die wir hier praktizieren, und zu alt, um mich mit
halbgarem Geplänkel zufrieden zu geben. Ich will endlich wissen, was in der
verfluchten Kugel drin ist, was sie im Innersten
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