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Nonstop in die Raketenfalle

Nonstop in die Raketenfalle

Titel: Nonstop in die Raketenfalle
Autoren: Stefan Wolf
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»Klößchen,
orange-weiß-grün — das sind die Farben der indischen Flagge. Außerdem ist im
weißen Feld ein blauer Kringel mit Goldsprossen. Ich nehme mal an, in dieser
Tönung sind die Fußmatten. Zufrieden, Karl?«
    »Wusste gar nicht, dass du so
fit bist in Vexillogie, Häuptling.«
    »Was ‘n das?«, fragte Klößchen.
    Auch Tim hörte das Wort zum
ersten Mal, kombinierte aber sofort. »Die Wissenschaft von Fahnen und Flaggen,
Willi.«
    Karl bestätigte das. Dann
drapierten sie ihre Bikes um einen Laternenpfahl und ketteten mit zwei
Kabelschlössern alle zusammen.
    Karl klingelte. Als das
Klingeln in der Eingangsdiele verhallte, war irgendwo im Haus ein Geräusch —
und Tim vermeinte, den Duft von starkem, indischem Tee durch die Türritzen
schnuppern zu können.

2. Erpresser
mit 14,29 %
     
    Die Schreibmaschine war alt und
beschädigt, funktionierte aber noch. Im Ramschladen eines Vorstadtviertels
hatte Emilio sie gekauft. Zum einmaligen Gebrauch. Nur den Erpresserbrief
wollte er damit schreiben.
    Er war 32 und von mittlerer
Größe. Das blauschwarze Haar trug er lang und immer geölt. Sein Gesicht, flach
und fast viereckig, war im Sommer olivfarben, im Winter grau. Emilio Cortone
grinste fast immer, was zu seiner Falschheit gehörte, grinste sogar im Schlaf. Auch
bei Albträumen. Schwere Schlupflider hingen über dunklen Augen mit unstetem
Blick.
    Er bewohnte ein Apartment in
der Pemerusa-Straße, unweit vom Schwanenpark, trug Seidenhemden in Schwarz, in
Weiß oder schwarz-weiß gestreift. Er hasste dreierlei: Tomaten, italienische
Opern und seinen Kompagnon Paolo — was der allerdings nicht ahnte. Außerdem
sparte Emilio auf einen Ferrari. Doch dieser Lebenstraum lag noch in weiter
Ferne. Fest stand lediglich: Der Wagen sollte schwarz sein mit weißen Sitzen.
    Nach seinem Beruf gefragt, gab
Emilio an: Gastronom. Und das war er auch. Aber nur der mit dem Siebtel.
    Ein Siebtel!
    Die Wut darüber machte ihm
Magengeschwüre. Paolo — den sollten die Würmer fressen! Dem gehörten nämlich
sechs Siebtel.
    Jahre war es her. Damals hatten
sie sich zusammengetan. Zwei Habenichtse. Paolo, der bienenfleißig und ein
hervorragender Koch war, wollte ein italienisches Feinschmeckerlokal eröffnen.
In bester Lage der Millionenstadt, versteht sich.
    Eine kühne Idee, angesichts der
etablierten Konkurrenz und ohne Startkapital. Aber Paolo borgte sich bei seinen
ungezählten Verwandten kleine und mittlere Sümmchen zusammen, hatte das Glück,
dass gerade nun ein Erbonkel den Löffel abgab und ihm einen Batzen hinterließ.
Als sie begannen, hatte Paolo sechs Siebtel des benötigten Geldes zusammen.
Emilio, der auf keine Sippe zurückgreifen konnte, lieferte nur den kleinen
Ein-Siebtel-Anteil.
    Aus diesen Größen entstand der
Vertrag. Vom künftigen Nettoverdienst stand Emilio nur ein Siebtel zu — für
immer und ewig.
    Die TRATTORIA PAOLO hatte sich
zur Goldgrube entwickelt. Inzwischen gab es zwei Filialen in der Stadt und eine
dritte in der aufstrebenden Kreisstadt Gräbitschhausen.
    Paolo wurde immer reicher. Auch
Emilio konnte nicht klagen. Aber ihm ging es nur zu einem Siebtel so gut wie
seinem Kompagnon, der nun eindeutig der Boss war. Emilio hasste ihn. Der Hass
wuchs. Und damit entstand der Plan, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen.
    An diesem Montagnachmittag war
der Hauptbahnhof der Millionenstadt laut und voller Hektik. Durchsagen hallten.
Penner schlurften umher. Dealer spähten nach Opfern, Taschendiebe ebenfalls.
Reisende rollten ihre Trolleys ( Rollenkoffer ) oder schleppten schwere
Taschen. Die Imbissstände waren umlagert und machten gute Geschäfte. In der
Bahnhofsbuchhandlung wurden Taschenbücher geklaut. Gelangweilte Bahnpolizisten
sockten ihre Runde ab.
    Emilio ging an den
Schließfächern entlang. Nummer 777 war geschlossen. Er warf erneut Münzen ein.
Den Schlüssel besaß er bereits, den Schlüssel zu einem leeren Fach.
    Im Parkhaus stieg Emilio in
seinen Wagen, einen schwarzen Mercedes, der sechs Jahre alt und unter seiner
Würde war, wie er fand. Emilio setzte eine graue Perücke auf, klebte sich einen
grauen Schnauzbart unter die Nase und vollendete die Maskierung mit einer
Brille aus Fensterglas.
    Zehn Minuten später parkte er
in einer dunklen Gasse, ging ein kurzes Stück, bog ein in eine noch dunklere
Gasse und betrat den Serviceladen eines alten Kerls, der nach Knoblauch roch.
Ein kleiner, düsterer Raum mit Werkzeug an den Wänden — dem Werkzeug des
Schlossers. Der Alte
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