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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament
Autoren: Liza Marklund
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Hundertmeterlauf.
    Die Sicherheitskräfte im Bürgerpark erstarrten und führten unisono die Hand ans Ohr,
shit.
Sie hatte eigentlich schon ein Stück weiter sein wollen, wenn durchgegeben würde, was passiert war. Während sie die Tür zur Warenannahme hinter sich zufallen ließ, zog sie die Waffe aus der Handtasche. Drei Männer bewachten die Wasserseite, genau wie vorgesehen. Sie schoss auf einen nach dem anderen, mit dem Ziel, sie unschädlich zu machen, nicht unbedingt, um sie zu töten.
    Sorry, Jungs, dachte sie, ist nicht persönlich gemeint.
    Eine Kugel, die sich irgendwo hinter ihr gelöst hatte, schlug direkt neben ihr in einen Granitpfeiler ein. Steinsplitter lösten sich und zerschnitten ihre Wange. Der unerwartete Schmerz ließ sie zusammenzucken. Schnell beugte sie sich hinunter, nahm die Schuhe in die Hand und rannte los. Die Geräusche drangen wieder zu ihr durch, und sie hörte das Röhren des starken Außenbordmotors. Sie löste sich aus dem Schatten des Gebäudes und bog nach rechts in den Garten ab. Das gefrorene Gras stach wie Nadeln, hinter ihr fielen Schüsse, und sie flog, sie flog mit gerafftem Kleid und der Pistole und den Schuhen in Händen.
    Das Motorengeräusch erstarb, und das Boot nahm Kurs auf den Anleger des Stadshuset.
    Der eisige Wind biss sich in ihre Haut, als sie die Granittreppe hinunterrannte. Die Wellen des Mälarsees schlugen gegen den Rumpf und über die Bordwand, sie landete ungelenk im Heck des Bootes.
    Das Triumphgefühl verflüchtigte sich unmittelbar und wurde von einer rastlosen Wut abgelöst. Sie befühlte ihre Wange, Mist, es blutete. Das würde eine Narbe geben, und außerdem war es höllisch kalt.
    Erst als der Turm des Stadshuset in der Ferne verschwand und sie sich aus dem Abendkleid schälte, bemerkte sie, dass sie einen Schuh verloren hatte.
    Anton Abrahamssons Baby war drei Monate alt und hatte Blähungen. Seit acht Wochen hatte das Kind rund um die Uhr geschrien, und sowohl der Staatsschutzbeamte Abrahamsson als auch seine Frau waren mit den Nerven völlig am Ende. Er konnte immerhin zur Arbeit gehen und sich gelegentlich ein wenig ausruhen, aber für seine Frau war es schlimmer. Am Telefon versuchte Anton unbeholfen, sie zu trösten: »Das geht vorbei, mein Schatz, hat er sein Bäuerchen gemacht? Hast du es mal mit Maaloxan versucht?«
    Gerade als in der Zentrale der Alarm ausgelöst wurde, begann Antons Frau vor Erschöpfung zu weinen.
    »Ich komme nach Hause, so schnell ich kann«, sagte Anton Abrahamsson, ließ seine verzweifelte Frau mit einem Tuten im Hörer zurück und nahm entnervt die Meldung entgegen. Möglicherweise lässt sich seine Reaktion damit erklären, dass der Alarm weder vom Personenschutz noch von einer der üblichen internen Einheiten kam, sondern vom externen Polizeieinsatzleiter.
    Die gewöhnliche Schutzpolizei, deren eigentliche Aufgabe es war, den Verkehr zu regeln und die neugierige Allgemeinheit fernzuhalten, hatte offensichtlich einen besseren Überblick über die Sicherheitslage als der Staatsschutz.
    Das war Anton Abrahamssons erste Schlussfolgerung.
    Die zweite zog er Sekunden später:
    Irgendjemand würde hierfür richtig Ärger bekommen.
    Die dritte verursachte ihm eine Gänsehaut:
    Scheiße. Jetzt sind sie hier.
    Ich muss bei der Zeitung anrufen, dachte Annika.
    Sie hatte sich auf die Tanzfläche geworfen, der Marmor war eiskalt an ihren Armen. Ein Mann neben ihr übergab sich, ein anderer trat ihr auf die Hand, sie zog sie zurück, ohne Schmerz zu empfinden. Irgendwo rechts von ihr kreischte eine Frau im Falsett, Kleider streiften ihre Haut. Das Orchester hörte mitten in einem Akkord auf zu spielen, in der klanglichen Leere ging der Schrei wie eine eiskalte Welle durch die Blaue Halle und durch sämtliche Säle und Galerien des Stadshuset.
    Wo ist meine Handtasche?, dachte sie, versuchte sich aufzurichten und bekam einen Schlag auf den Kopf und sank zurück.
    Sekunden später verschwanden die Menschen um sie herum. Sie wurde aus der Menschenmenge gehoben, und ein dunkelgrauer Anzug stellte sie resolut mit dem Rücken zum Saal. Sie starrte unfreiwillig gegen eine Eichentür.
    Ich muss Jansson erwischen, dachte sie und versuchte sich nach ihrer Tasche umzusehen. Sie hatte sie bei den Kupfertüren zum Drei-Kronen-Saal abgestellt, aber überall waren nur stolpernde Menschen und herumeilende dunkelgraue Männer.
    Ihre Knie begannen zu zittern, sie spürte eine altbekannte Angst in sich aufsteigen, unterdrückte sie aber, es ist
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