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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut
Autoren: H Dunmore
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bei einer Wahrsagerin gewesen und danach hätte sie sich nie wieder aufs Wasser hinausgewagt. Das ist schon Jahre her, aber sie hat es wirklich nie wieder getan. Nicht ein einziges Mal.«
    »Was hat die Wahrsagerin gesagt?«
    »Dad wollte es mir nicht erzählen. Es muss aber was Schlimmes gewesen sein.«
    »Vielleicht hat sie prophezeit, dass Mum eines Tages ertrinken wird.«
    »Ach, was, Saph! So was würde eine Wahrsagerin nie prophezeien. Sie werden eines Tages ertrinken. Das macht zehn Pfund, bitte. «
    »Aber sie muss Mum irgendwas Schreckliches erzählt haben. Sonst würde sich Mum doch nicht für den Rest ihres Lebens weigern, ein Boot zu besteigen.«
    »Bitte, Saph, hör auf damit, sonst wäre mir lieber, ich hätte es dir nie erzählt. Sie dürfen nicht merken, dass du es weißt. Dad sagte, ich soll es dir nicht erzählen, damit du keine Angst kriegst.«
    Die Stimmen von Dad und Mum werden wieder lauter. Warum müssen sie nur immer so viel streiten? Ich streite mich fast nie mit Conor.
    »Ich geh jetzt rein und mache uns einen Toast, dann hören sie auf«, sagt Conor.
    »Ich komm mit.«
    Mum und Dad stehen am Herd. Sie verstummen, als sie uns sehen, aber die Luft ist aufgeladen von all den hässlichen
Dingen, die sie gesagt haben. Wenn der Streit von Erwachsenen einen Geruch hätte, denke ich manchmal, dann würde er nach verbranntem Essen riechen. Dads Pilze sind schwarz und verschrumpelt. Als er bemerkt, dass ich sie anstarre, nimmt er die Pfanne in die Hand, kratzt die verbrannten Pilze zusammen und befördert sie in den Mülleimer.
    Was für ein Jammer. Ich liebe Pilze.

    An diesem Abend radeln Conor und ich zu Conors Freund Jack. Wir bleiben länger bei ihm als geplant, weil Jacks Labradorweibchen drei Junge bekommen hat. Bisher konnten wir mit ihnen nicht spielen, weil sie noch zu klein waren, doch jetzt sind sie sieben Wochen alt. Jack lässt uns jeder einen Welpen auf den Arm nehmen. Ich bekomme eine kleine, pummelige Hündin. Sie zappelt, schnuppert an meinen Fingern und schleckt sie ab, während aus ihrer Kehle hohe, piepsende Laute kommen. Sie ist so niedlich. Conor und ich wollten schon immer einen Hund haben, doch bis jetzt ist unser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen.
    »Du bist das süßeste Hundebaby auf der ganzen Welt«, flüstere ich ihr zu, während ich sie dicht an mein Gesicht halte. Sie hat ein lustig abgeknicktes linkes Ohr und sanfte, neugierige braune Augen. Wenn ich mir einen Welpen aussuchen dürfte, dann würde ich sie wählen. Sie rümpft die Nase und stößt ein kleines Welpenniesen aus, bevor sie ihre Schnauze unter meinem Kinn vergräbt. Ich glaube, sie hat sich schon für mich entschieden.
    Poppy, die Hundemutter, kennt Conor und mich. Deshalb hat sie auch nichts dagegen, dass wir mit ihren Kindern spielen.

    Dennoch bleibt sie in unserer Nähe, sieht uns zufrieden, stolz und wachsam zu. Jedes Mal wenn eines der Kleinen sich davonstehlen will, trägt Poppy es sofort zurück ins Körbchen. Ich liebe die Art, wie Poppy ihr Maul ganz weich macht, um die Welpen im Genick packen zu können.
    Wir vergessen die Zeit. Als wir wieder daran denken, ist es schon spät, und wir müssen uns beeilen.
    »Schnell, Saph! Mum flippt aus, wenn wir noch später kommen!«
    Conor rast davon. Mein Fahrrad ist zu klein für mich, und selbst wenn ich strampele wie eine Verrückte, fahre ich nicht besonders schnell. Wenn Conor ein neues Fahrrad kriegt, dann bekomme ich seins. Vielleicht wird es Weihnachten so weit sein.
    »Warte!«, rufe ich ihm nach, aber Conor ist schon auf und davon. An der letzten Kurve wartet er auf mich.
    »Du bist so langsam!«, motzt er, als wir den letzten Abhang nebeneinander herfahren.
    »Ich bin genauso schnell wie du. Nur mein Fahrrad ist langsam«, sage ich. »Wenn ich dein Fahrrad hätte …« Conor hat mir schon versprochen, sein Fahrrad für mich anzumalen, wenn er ein neues bekommt, und die Lichter kann ich auch behalten. Die Farbe darf ich mir aussuchen.
    Wir erreichen das Tor, dort, wo der abschüssige Weg an unserem Haus vorbeiführt. Unser Haus ist nicht das einzige in dieser Gegend, aber unsere Nachbarn wohnen ein gutes Stück entfernt. Abends sieht man die Lichter der anderen Häuser vor dem dunklen Hang. Unser Haus liegt dem Meer am nächsten.
    »Schau mal, da ist Mum. Was macht sie da?«, fragt Conor plötzlich.

    Sie ist auf einen Zaunpfosten geklettert, der sich gegenüber von unserem Haus befindet. Ihre Silhouette zeichnet sich vor der Dämmerung ab. Sie
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