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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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sanften Augen haben für alles Verständnis. Erst heute morgen sagte mir ein Ochse, daß ich recht hatte, mich nicht von meinem BGB zu trennen. Trotzdem kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, daß es einem Farmer weniger nutzt als einem Rechtsanwalt.
    Süßkind behauptet immer, ich hätte genau den Humor, um in diesem Land zu bestehen. Ich fürchte, er verwechselt da einiges. Übrigens würde Wilhelm Kulas hier große Karriere machen. Mechaniker nennen sich Ingenieure und finden schnell Arbeit. Wenn ich jedoch behaupten würde, ich sei zu Hause Justizminister gewesen, würde mich das auch keinen Schritt weiterbringen. Dafür habe ich meinem Boy beigebracht, »Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren« zu singen. Wenn einer so viel Mühe mit jedem Wort hat wie er, dauert das Lied genau viereinhalb Minuten und eignet sich wunderbar als Eieruhr. Meine weichen Eier schmecken jetzt wie zu Hause. Ihr seht, ich habe auch meine kleinen Erfolge. Schade, daß die größeren so lange dauern.
    Voller Hoffnung, daß sich bei Euch doch etwas tun wird, umarmt Euch mit sehr viel Sehnsucht
    Euer Walter Rongai, den 25. Mai 1938
    Meine liebe Ina, meine liebe Käte!
    Wenn Euch dieser Brief erreicht, sind Jettel und Regina, so Gott will, schon unterwegs. Ich kann mir denken, wie Euch zumute ist, aber in Worte kann ich nicht fassen, was mich bewegt, wenn ich an Euch und Breslau denke. Ihr habt Jettel geholfen, die Zeit unserer Trennung zu ertragen, und wie ich meine verwöhnte Jettel kenne, hat sie es Euch bestimmt nicht leichtgemacht.
    Sorgt Euch nicht um Jettel. Ich bin bester Hoffnung, daß sie sich hier einleben wird. Bestimmt hat sie durch die Erfahrungen der letzten Jahre und besonders der letzten Monate begriffen, daß nur eines zählt, nämlich, daß wir zusammen und in Sicherheit sind. Ich weiß, liebe Ina, daß Du Dir oft Sorgen machst, weil ich ein Hitzkopf bin und Jettel ein störrisches Kind ist, das schnell die Fassung verliert, wenn es nicht nach seinem Willen geht, aber mit unserer Ehe hat das nichts zu tun.
    Jettel war die große Liebe meines Lebens und wird es auch immer bleiben. So schwer sie es mir auch manchmal macht.
    Du siehst, die ewige afrikanische Sonne öffnet Herz und Mund, aber ich finde, manche Dinge muß man beizeiten aussprechen. Und da ich gerade dabei bin: eine bessere Schwiegermutter als Du, meine geliebte Ina, gibt es nicht noch einmal. Ich spreche hier nicht von Deinen Bratkartoffeln, sondern von meiner ganzen Studentenzeit. Ich war neunzehn Jahre alt, als ich in Dein Haus kam und Du mir das Gefühl gabst, ich sei Dein Sohn. Wie lange scheint das her, und wie wenig habe ich Dir Deine Güte entgelten können.
    Ihr braucht jetzt alle Kraft für Euch selbst. Große Hoffnung setzte ich auf Euren Briefwechsel mit Amerika. Nutzt jede Möglichkeit. Ich weiß, daß Du nicht viel vom Beten hältst, Ina, aber ich kann es nicht lassen, Gott um seinen Beistand zu bitten. Hoffentlich gibt er mir eines Tages Gelegenheit, ihm zu danken.
    Jettel und Regina werden hier wie Fürsten empfangen werden. Für Regina habe ich ein wunderbares Bett aus Zedernholz mit einer Krone am Kopfende bauen lassen. (Ich habe hier zwar nichts zum Leben, darf aber so viele Bäume fällen, wie ich will.) Die Krone habe ich auf Papier gezeichnet, und Owuor, mein treuer Boy und Kamerad, hat einen fast nackten Riesen mit einem Messer angeschleppt, der unsere Krone schnitzte. So ein schönes Stück gibt es bestimmt in ganz Breslau nicht. Für Jettel haben wir den Pfad zwischen dem Wohngebäude und dem Plumpsklo mit Brettern gepflastert, damit sie nicht im Lehm versinkt, wenn sie in der Regenzeit muß. Hoffentlich erschrickt sie nicht zu sehr, wenn sie erlebt, daß man hier selbst die kleinsten Geschäfte genau berechnen muß. Zwischen Haus und Klo läuft man drei Minuten. Bei Durchfall weniger.
    Grüßt mir das Rathaus und alle, die den Meinen beigestan-den haben. Und gebt gut auf Euch acht. Wie dumm komme ich mir vor, so etwas zu schreiben, aber wie soll man ausdrücken, was man empfindet?
    In großer Liebe Euer Walter
    Rongai, den 20. Juli 1938
    Meine geliebte Jettel!
    Heute erhielt ich Deinen Brief aus Southampton. Kann ein einzelner Mensch so dankbar, glücklich und erleichtert sein? Endlich, endlich, endlich. Wir können uns wieder ohne Angst schreiben. Ich bewundere Dich sehr, daß du mir die Häfen angegeben hast, in denen die »Adolf Woermann« Post aufnimmt. Auf die Idee bin ich damals nicht gekommen. Dieser Brief geht also nach
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