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Night World - Retter der Nacht

Titel: Night World - Retter der Nacht
Autoren: Lisa J. Smith
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kahl war. Es sah glücklich aus mit seinen runden Wangen und den schicken Ohrringen, die unter dem Tuch hervorbaumelten. Aber Poppy spürte einen Anflug von Mitleid.
    Mitleid - und Angst. Dieses Mädchen war wirklich krank. Dafür waren Krankenhäuser natürlich da - für wirklich kranke Menschen. Plötzlich wollte Poppy so schnell wie möglich die Untersuchung hinter sich bringen und wieder hier raus.
    Die Ultraschalluntersuchung war nicht schlimm, aber sie war ein wenig beunruhigend. Eine Assistentin schmierte Poppy eine Art Gel auf den Bauch, fuhr dann mit einem kalten Scanner darüber und schickte Wellen in ihren Körper, die Bilder von ihrem Inneren machten. Poppy merkte, dass ihre Gedanken wieder zu dem Mädchen ohne Haare zurückkehrten.

    Um sich abzulenken, dachte sie an James. Und aus irgendeinem Grund kehrten ihre Gedanken zu dem ersten Mal zurück, als sie James gesehen hatte. Er war ein blasser, zarter Junge mit großen grauen Augen gewesen. Und er hatte etwas Seltsames ausgestrahlt, was die anderen Jungen sofort bemerkten und was ihn zum leichten Opfer machte. Auf dem Spielplatz rotteten sie sich um ihn zusammen wie Hunde um einen Fuchs - bis Poppy sah, was da vor sich ging.
    Sogar schon mit fünf Jahren war ihr rechter Haken gefürchtet. Sie mischte die Bande auf, verteilte Ohrfeigen und trat gegen Schienbeine, bis die größeren Jungen entnervt flohen. Dann wandte sie sich an James. »He, wollen wir Freunde sein?«
    Nach kurzem Zögern nickte er schüchtern. In seinem Lächeln lag wieder etwas Seltsames.
    Poppy fand schon bald heraus, dass ihr neuer Freund bei vielen kleinen Dingen anders reagierte als die anderen. Als ihr Anschauungstier in der Schule, eine Eidechse, gestorben war, hob er den kleinen toten Körper ohne Ekel auf und fragte Poppy, ob sie ihn einmal in der Hand halten wollte. Die Lehrerin war entsetzt.
    Er wusste auch, wo man noch mehr tote Tiere finden konnte. Er zeigte ihr einen verlassenen Bau, in dem Kaninchenknochen lagen. Er ging ganz sachlich damit um.
    Als er älter wurde, hörten die anderen Jungen auf, ihn zu quälen. Inzwischen war er so groß geworden wie sie
und erstaunlich stark und schnell. Er bekam den Ruf, hart und gefährlich zu sein. Wenn er wütend wurde, blitzte etwas fast Furchterregendes in seinen grauen Augen auf.
    Er wurde jedoch niemals böse mit Poppy. Sie waren die ganzen Jahre über die besten Freunde geblieben. Als sie auf die höhere Schule kamen, begann er, Freundinnen zu haben - alle Mädchen rissen sich um ihn -, aber keine der Beziehungen dauerte lange. Und er vertraute ihnen nie etwas an. Für sie blieb er der geheimnisvolle, verschwiegene Bad Boy. Nur Poppy sah die andere Seite von ihm: seine verwundbare, mitfühlende Seite.
    »Okay«, sagte die Assistentin und brachte Poppy mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. »Du bist fertig. Hier, wisch dir das Gel ab.« Sie reichte ihr ein paar Papiertücher.
    »Was hat man gesehen?«, wollte Poppy wissen und schaute auf den Monitor.
    »Das wird dir dein Arzt erzählen. Der Radiologe wird die Resultate auswerten und in die Praxis deines Arztes schicken.« Die Stimme der Frau war ganz neutral - so neutral, dass Poppy sie scharf ansah.
    Zurück in Dr. Franklins Praxis, rutschte Poppy im Wartezimmer auf ihrem Stuhl hin und her, während ihre Mutter lustlos in ein paar alten Illustrierten blätterte. Als die Arzthelferin: »Mrs Hilgard«, rief, standen beide auf.

    »Nein.« Die Frau sah verlegen aus. »Mrs Hilgard, der Doktor möchte Sie ein paar Minuten allein sprechen.«
    Poppy und ihre Mutter sahen sich an. Dann legte die Mutter langsam das People Magazine auf den Tisch zurück und folgte der Arzthelferin.
    Poppy starrte ihr nach.
    Was, um alles in der Welt …? So was hatte Dr. Franklin bisher noch nie gemacht.
    Sie merkte, wie ihr Herz heftig klopfte. Nicht schnell, aber hart. Bang - bang - bang … Mitten in ihrer Brust. Sie fühlte sich wie benebelt und schwindlig.
    Denk nicht darüber nach, sagte sie sich. Es bedeutet vermutlich gar nichts. Lies eines dieser Klatschblätter.
    Aber ihre Finger wollten ihr nicht gehorchen. Als sie schließlich eine Zeitschrift aufgeblättert hatte, wanderte ihr Blick über die Zeilen, ohne dass sie ein Wort davon verstand.
    Worüber redeten die so lange da drin? Was war da los? Es dauerte schon endlos …
    Und es sollte noch länger dauern. Während Poppy wartete, schwankte sie zwischen zwei Gedankengängen. 1. Es war nichts Ernstes, und ihre Mutter würde lachen, wenn
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