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Nigger Heaven - Roman

Nigger Heaven - Roman

Titel: Nigger Heaven - Roman
Autoren: Walde + Graf Verlag
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zog. Während er sie zurückschob, überlegte er, dass er es sich leisten konnte, freundlich, ja sogar großmütig zu dem harmlosen alten Herrn zu sein. Gab es denn in ganz Harlem einen weiteren Kerl seines Schlags, der auch nur den zehnten Teil seiner Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht besaß? Gab es denn unter all den Eckenstehern und Pflastertretern, die ihre anzüglichen Bemerkungen äußerst freimütig und laut zu machen pflegten, nur einen, dessen Muskeln mehr gefürchtet wurden? Während er diese Überlegungen anstellte, bekam sein Selbstwertgefühl einen empfindlichen Stoß, denn unter den glänzenden Lichtern vor dem Lafayette-Theater erkannte er eine pompöse Gestalt, die diese wohlige Zuversicht aus seinem Herzen vertrieb.
    Einige Jahre zuvor hatte Randolph Pettijohn seine Karriere als Händler mit Hotdogs begonnen. Sein kleiner, nur ein Schaufenster großer Laden, der sich zwischen zwei hochaufragende Häuser duckte, war rasend schnell beliebt geworden. Seine Würstchen waren ausgezeichnet, seine Brötchen frisch, sein Senf ohne Tadel. In kurzer Zeit lief Pettijohns Geschäft so blendend und die Unkosten waren so gering – er war sein eigener Koch und bediente seine Kundschaft selbst –, dass er genügend Geld zusammenhatte, um in Grundstücke zu investieren, eine Anlage, die über Nacht im Wert stieg. Dann, nach ein paar klugen Transaktionen, eröffnete er ein Kabarett, das in kurzer Zeit zum beliebtesten Lokal Harlems wurde. Und schließlich hatte sein Bolito-Lotteriespiel ihn so reich gemacht, dass sein zunehmender Einfluss sich bereits politisch bemerkbar machte.
    Anatole hasste ihn ohne Grund. Pettijohn hatte seinen Weg niemals feindlich gekreuzt, aber unbewusst fühlte Anatole, dass eine solche Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen war. Außerdem ärgerte es ihn, wenn jemand anderer – gleich welcher Art – Macht besaß. Dieses Gefühl beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Anatole war häufig Gast im Winter Palace, Pettijohns Kabarett. Dort war er willkommen, weil man ihn als Günstling jener Weißen schätzte, die den Umgang mit Schwarzen suchten und sich von seiner Extravaganz angezogen fühlten.
    »Na, was machst du denn so, Toly?«, begrüßte der Bolito-King den Creeper aufgeräumt, ja sogar herzlich.
    »Hallo, Ran.«
    »Nimmst wohl die Parade ab?«
    »Ich schaue mich nur um.« Der Creeper gab sich reserviert.
    »Creeper, du bist doch so ein richtiger Blender«, warf einer von Pettijohns Begleitern ein.
    »Und Schwerarbeiter in Sachen Liebe ist er«, sagte ein anderer.
    Der King versuchte es mit einer Lobhudelei. »Kommt doch keiner an dich ran, Creeper, was die Weiber betrifft, keiner.«
    Anatole zeigte die weißen Zähne. »Nun übertreib´s mal nicht«, beschwichtigte er.
    »Schau mal wieder bei mir rein«, lud ihn Pettijohn ein. »Mein Winter Palace ist auch im Sommer auf.«
    Wieder ganz bei Laune schlenderte der Creeper weiter, schwang den Stock, dehnte die Brust und summte vor sich hin:
    Mah man’s got teeth lak a lighthouse on du sea,
An’ when he smiles he throws dem lights on me.
    [Mei´m Mann seine Zähne sind wie´n Leuchtturm am Meer, / Und wenn er lacht, geht davon ein Schein auf mich her.]
    »Wie geht’s Toly?«
    Als Anatole in die unliebsamen Augen eines hochgewachsenen, hellhäutigen Burschen mit abgetragenem Anzug und durchgelaufenen Schuhen sah, wurde sein Verhalten etwas herablassend.
    »Wie geht´s denn so, Duke?«
    »Doll ist es nicht, Toly. Die Revue ist pleitegegangen.«
    »Dann gibt´s eben ’ne andere.«
    »Klar. Aber wie soll man bis dahin über die Runden kommen?« Der Creeper sagte nichts dazu.
    »Du bist ja kolossal in Form, Toly.« Dukes Tonfall war voll weinerlicher Bewunderung.
    Der Creeper bewahrte sein zurückhaltendes Schweigen.
    »Hab noch nie jemanden gesehen, der sich so zu kleiden versteht.«
    Der Brustkasten des Creepers war das Thermometer für die Wirkung dieses Kompliments.
    »Hab nix im Bauch, Toly. Ehrlich. Gib mir ’ne Wurst aus.« Eine Handvoll Kleingeld aus der Hosentasche ziehend, suchte der Creeper darunter bedächtig nach einem Vierteldollar und gab ihn dem bedürftigen Bekannten.
    »Da hast du was, Duke …« Er gab ganz den großherzigen Wohltäter. »Und wie steht´s mit der Sicherheit?«
    »Du kriegst es zurück, Toly, bei nächster Gelegenheit. Mein Fehler war´s nicht, dass die Show nicht lief.« Sich die Münze zwischen die Zähne steckend, lief der Bursche unvermittelt eine Seitenstraße hinunter.
    »Ja, die Hand
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