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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi
Autoren: Jörg Maurer
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Jennerwein, die Polizeipsychologin Dr.Maria Schmalfuß und der Polizeiobermeister Johann Ostler, waren, wie die vielen Touristen auch, mit der Gondel auf den Zugspitzgipfel, dann mit der Gletscherseilbahn aufs Platt gefahren, den Rest der Strecke mussten sie zu Fuß gehen. Sie waren von der Bergwacht alarmiert worden.
    »Da stimmt was net!«, hatte der Bergwachtler gesagt.
    »Es ist wirklich ein ungewöhnlicher Fundort«, schrie Polizeiobermeister Ostler gegen den jaulenden Wind an, der jetzt aufkam. Kommissar Jennerwein sprang auf einen unförmigen, riesigen Stein, er bot Maria Schmalfuß die Hand. Hier auf dem Zugspitzplatt taten sich rechts und links schon einmal Spalten mit zehn, zwanzig Meter Tiefe auf. Es war Ende Juni, und nur noch einzelne schmutzige Schneerestchen waren von dem einst prächtigen Gletscher übrig geblieben. Das karstige Gelände war jedoch ausgesprochen belebt, immer wieder mussten ihnen Wanderer verschiedenster Leistungsstufen den Weg frei machen: Jogger, Gletscherforscher, Nordic Walker, Wandernadelsammler, Geocacher und andere Schatzsucher, Hardcore-Trekker mit unbezahlbarer Bergausrüstung und Japaner in Halbschühchen spritzten links und rechts weg. Manche schimpften, dass man selbst hier oben auf dem Schneeferner keine Ruhe hätte vor den neureichen Rabauken, die sich unten im Tal eine Zweitwohnung gekauft hatten und sich hier oben mit riesigen Walkie-Talkies wichtigmachten.
     
    »Hier war früher alles meterhoch mit Eis bedeckt«, rief Ostler und sprang zum nächsten Stein.
    »Wie eigentlich ganz Bayern«, schrie Jennerwein zurück. Der Scherz wurde ihm von einem Windstoß weggerissen, der aus dem Tschechischen herübergekommen war, einem
czesky vzduch
.
    »Es gibt viele Geschichten rund um die Zugspitze, vor allem um das Zugspitzplatt. Wenn der Hölleisen jetzt hier wäre«, fuhr Ostler fort, »dann würde er gleich eine passende Anekdote dazu erzählen.«
    Franz Hölleisen war wie Johann Ostler ebenfalls Polizeiobermeister im Kurort. Er kannte jeden Grashalm, seine Familie war seit dem Mittelalter hier ansässig. Sein Vater war Gendarm in der Gemeinde gewesen, sein Großvater ebenfalls. Und der Enkel hatte immer mit einem Sack voller Schnurren und Schmarren aus dem Polizei- und Bergsteigerleben aufzuwarten. Er musste gleich eintreffen, er war sicherlich schon mit ähnlich strammem Schritt nach oben unterwegs. Der Wind ließ etwas nach, man musste immerhin nicht mehr schreien.
     
    »Die Bergwacht hat uns angerufen«, sagte Ostler in die relative Stille hinein. »Sie haben einen anonymen Hinweis bekommen, dass eine seltsame Gestalt in einer Felsnische kauert.«
    »Ein anonymer Hinweis?«, fragte Jennerwein verwundert.
    »Der mysteriöse Zeuge wollte weder seine Personalien noch seinen Standort angeben, die Position des Opfers hat er dafür umso genauer geschildert:
Leblose Person im oberen Teil der Wand der Schneefernerscharte. Unterhalb der Gratrippe, die vom Zugspitzeck südwestlich abgeht. Ein Felssporn, der das Kar auf seiner Nordseite begrenzt. Etwa sechzig Meter unterhalb des Aussichtspunkts
 – etwas von der Art. Richtig professionell, wie ein Pilot, sogar auf englisch. Wie einer, der sich am Berg auskennt.«
    »Sehr ungewöhnlich«, murmelte Maria. »Ein Retter ist doch normalerweise stolz darauf, jemandem geholfen zu haben. Er nennt als Erstes seinen Namen. Äußerst merkwürdig.«
     
    Sie hatten eine Anhöhe erreicht, die bis auf ein paar Flechten ganz und gar vegetationslos war und die mit ihren Rundhöckern, Dolinen und Schratten an eine Mondlandschaft erinnerte. Es pfiff dort aus allen Himmelsrichtungen. Es hatte den Anschein, als ob sie sich hier träfen, die europäischen Winde, zu einer Ratssitzung der Turbulenzen: der beständige
Blascht
vom Bodensee, der temperamentvolle
Vent de la vallée du Buëch
aus dem Französischen, der heiße
Traubenkocher
aus Nordtirol, der quirlige
Jinovec
aus der Slowakei – die Ritter der Thermodynamik, die hier die weitere Vorgehensweise besprachen. Die Ermittler kletterten jetzt einen Steilhang hinauf. Ostler war diese berglerische Fortbewegungsart augenscheinlich gewohnt, Maria und Jennerwein atmeten schwer, beide trieben wenig Sport. Maria ging einmal in der Woche in die Halle, zum Psychologen-Volleyball (Systemische gegen Psychoanalytiker), Jennerwein hatte schon alles Mögliche angefangen, von Tai-Chi bis Waldlauf, er hatte seine Sportart noch nicht gefunden.
    »Gell, da schnaufen sie, die Damen und Herren
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