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Nie genug von dir

Nie genug von dir

Titel: Nie genug von dir
Autoren: Melanie Hinz
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überhaupt Gänsehaut bekommen? Ich glaube, die Narkose wirkt noch nach oder hat ein paar meiner Gehirnzellen mit sich genommen.
    "Ich bin Schwesternschülerin. Alleine darf ich das nicht entscheiden."
    Während sie meinen Blutdruck misst, bewundere ich ihre vollen Lippen und stelle mir vor, wie sie … keine gute Idee. Der Blutfluss. Mein Körper ist völlig außer Kontrolle.
    "Dürfen sie es mir wenigstens bringen?" Endlich entdecke ich ihr Namensschild. "Schwester Nadine?"
    "Nadine reicht vollkommen. Wir kennen uns schließlich schon eine Weile, Markus Paul. Wir können das Schmerzmittel später zusammen im Schwesterzimmer abholen, denn du musst gleich aufstehen."
    Dass sie mich jetzt duzt gefällt bei, aber beim Gedanken an Bewegung bricht mir der Schweiß aus. Außerdem habe ich keine Ahnung, woher sie mich kennt. Das ist grundsätzlich beunruhigend. Wer weiß, in welchem Zusammenhang ich sie vergessen habe.
    "Haben wir uns schon einmal gesehen?", frage ich mit Unschuldsmiene.
    "Ein paar Mal, ja. Sogar über mehrere Jahre."
    Daran könnte ich mich erinnern.
    "Gehst du mit mir Kaffee trinken?", frage ich, statt mich weiter zu erkundigen. Mein Mund ist meinem Gehirn drei Schritte voraus.
    "Ich fange nichts mit Patienten an. Erst recht nicht, wenn sie sich selbst nach vielen gemeinsamen Jahren nicht an mich erinnern können."
    Jetzt habe ich sie verärgert. Ich sollte zuerst denken und dann reden. Vielleicht auch noch ein wenig schlafen, denn mich übermannt wieder eine unglaubliche Müdigkeit.
    Ohne ein weiteres Wort verlässt sie das Zimmer, stellt mir aber vorher den Wasserbecher in Reichweite.
     
    Meine Schmerzmittel habe ich später von einer mürrischen Nachtschwester bekommen, die mich nur einmal aus dem Bett bis zur Zimmertür und wieder zurück gejagt hat.
    "Reicht bis morgen!", war ihr knapper Kommentar, kurz bevor sie mir ohne Vorwarnung eine Thrombose-Spritze in den Oberschenkel gerammt hat. Ich dachte ja immer, solche Gestalten gibt es nur in schlechten, deutschen Fernsehproduktionen, aber die Frau war wie eine Karikatur ihrer selbst. Zu lachen habe ich mich trotzdem nicht getraut, dafür war sie zu furchterregend.
    Meine Mutter ist nach Hause gefahren, da sie meinen kleinen Bruder an Weihnachten nicht so lange alleine lassen wollte. Ich kenne zwar keinen 15-Jährigen, der sich nicht über ein paar ungestörte Stunden freut, aber dass ich bei der Bescherung am gestrigen Heiligabend fast zusammengeklappt bin, hat ihn doch sehr verschreckt. Außerdem bin ich wirklich aus dem Alter raus, in dem sie mir 24 Stunden am Tag das Händchen halten muss.
    Dank der Schmerzmittel bin ich anschließend in einen tiefen Schlaf gefallen, doch gegen 6 Uhr am Morgen ist es vorbei mit meiner Nachtruhe. Ich schleppe mich aus dem Bett und finde eine Trainingshose und ein T-Shirt in dem ordentlich eingeräumten Spind. Meine Mutter muss gestern noch zwischendurch in meiner Wohnung gewesen sein und Klamotten geholt haben.
    Plötzlich wird mir heiß und kalt. Ich habe mich wohl ziemlich vor der süßen Krankenschwester blamiert. Was ist da in mich gefahren? Das müssen die Nachwirkungen der Narkose gewesen sein. Sonst benehme ich mich nicht so beschränkt. Und so notgeil. Obwohl der größte Teil der geistigen Ausfälle nur in meinem Kopf stattgefunden haben, zumindest hoffe ich das, war sie nicht glücklich mit mir. Und sie kennt mich? Es stimmt schon, ihr hübsches Gesicht scheint mir vertraut, aber ich kann sie absolut nicht in irgendeine Schublade sortieren.
    Ich finde meine Sneakers und schaffe es, in sie einzusteigen, ohne mich nennenswert bücken zu müssen. Mit Erleichterung stelle ich fest, dass sich noch eine Packung Kippen (ich weiß, Krebsstängel und so) in meiner Jackentasche befindet. In besagte Jacke eingehüllt, mache ich mich auf den Weg nach draußen. Da gerade ein Schichtwechsel stattfindet, versucht auch keine der Schwestern mich aufzuhalten. Trotzdem riskiere ich es, durch die verschlossene Glastür ins Schwesternzimmern zu schauen, in der Hoffnung, einen Blick auf die Süße von gestern zu erhaschen. Doch leider keine Spur von ihr.
    Auf dem Flur zum Aufzug ist es fast unheimlich still und sogar die Aufzugskabine steht bereit, als hätte sie nur auf mich gewartet. Unten angekommen schleppe ich mich mit schweren Schritten am Nachtwächter vorbei. Vielleicht habe ich mich etwas übernommen, denn alleine der Gedanke an den Rückweg erschöpft mich. Mit einer Hand am Bauch und dem Drainagebeutel im Hosenbund
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