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Nie genug (German Edition)

Nie genug (German Edition)

Titel: Nie genug (German Edition)
Autoren: Melanie Hinz
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soliden, menschlichen Wand ausgebremst. Warmer Atem pustet in meinen Nacken. Meine Nackenhaare stellen sich auf und ich stoße ein wenig damenhaftes „Umpf“ aus. Ehe ich wieder mein Gleichgewicht verlieren kann, halten mich zwei große Hände an den Schultern aufrecht. Ich drehe mich um und sehe in die braunen Augen des rücksichtslosen Mountainbikers, der gerade nach einer Tüte Gummibärchen greifen wollte. Jetzt erkenne ich auch die Ursache, warum er nicht auf mein Rufen reagiert hat. Er hat die Kopfhörer seines MP3-Players in den Ohren und wird von dröhnend lauter Musik beschallt. Ich spüre die Hitze aus meinem Brustkorb in die Wangen aufsteigen und kann genau den Moment benennen, in dem mein Gesicht einer Tomate gleicht. Mit einer lässigen Handbewegung zieht sich der Typ einen Stöpsel aus dem Ohr und grinst mich mit zwei strahlend weißen und ebenmäßigen Zahnreihen an. Wenn ich die Hände freihätte, dann würde ich sie auf meine Wangen legen.
    „Ich bin knallrot“, platze ich heraus. Meine kommunikativen Fähigkeiten leiden offenbar sehr unter meinem Job.
    Dieser tätowierte Riese lehnt sich zu mir und beugt sich über mich. Mein Herz setzt fast aus, bis ich kapiere, dass er nur nach den Gummibärchen hinter mir greifen will. Er zieht eine Tüte aus dem Regal.
    „Das bist du, Pinkpants“, wispert er in mein Ohr und zieht sich zurück. Er steckt seinen Kopfhörer wieder ins Ohr, zwinkert mir zu und lässt mich zitternd am Regal stehen. Er hat mich Pinkpants genannt. Ich muss nicht an mir runter sehen, um zu wissen, warum. Heute habe ich wirklich meine schrecklichste Gammelhose aus dem Schrank gezogen. Eigentlich sollte ich immer noch sauer sein, doch statt-dessen habe ich das tiefe Grundbedürfnis ihn anzuspringen und zu reiten wie ein Pony.
    Meiner letzter Sex ist eine Ewigkeit her. Genauer gesagt, die letzte schlechte Nummer liegt mindestens vier Jahre zurück. Die Sexgöttin bin ich nur auf dem Papier und ein wirklich guter Fick existiert bis jetzt nur in meiner Fantasie. Was das angeht, bin ich wirklich verzweifelt. Nur bin ich mit meinem Körper in keiner Position, mir zu nehmen, was ich möchte. Mit einem resignierten Seufzen schüttele ich mich aus der Starre, die mir dieser Typ verschafft hat, und gehe zur Kasse.
     
    In der Hoffnung, einen kreativen Schub durch diesen visuellen Anreiz zu haben, setze ich mich zuhause direkt wieder an mein Manuskript. Doch es will heute nicht so klappen, wie ich es mir wünsche. Meine Charaktere langweilen mich und irgendwie habe ich mich an diesem Punkt der Geschichte verrannt. Entnervt gebe ich für diesen Vormittag auf. Ich mache mir eine neue Kanne Kaffee, nehme mir einen zweiten Schokoriegel und checke meine E-Mails. Neben den üblichen Werbemails und einer Anfrage meiner Agentin über den Fortschritt meines Manuskripts habe ich eine neue Freundschaftsanfrage auf meinem privaten Facebook-Account von einer Nadine P. Ich logge mich auf der Startseite ein, um mir ihr Profil anzusehen. Dafür muss ich jedoch die Freundschaft bestätigen, was mir überhaupt nicht passt. Mein privater Account ist eigentlich nur Leuten vorbehalten, die ich persönlich kenne. Löschen kann ich sie ja immer noch, also nehme ich an, um mir ihre Fotos ansehen zu können. Ihr Profilfoto sagt mir überhaupt nichts, da man nur einen kleinen Teil vom Gesicht sieht. Der Rest wird von einer blonden Mähne verdeckt. In ihrem Fotoalbum erkenne ich sie schließlich. Nadine Prinz. Wir sind zusammen zur Realschule gegangen, waren in einem Französischkurs und hatten auf der Abschlussfahrt unsere erste lesbische Erfahrung miteinander, doch das war nicht wirklich ernst gemeint.
    Wir waren 16 Jahre alt, betrunken und neugierig. Sie war ein süßes Mädchen und keine von den oberflächlichen Zicken, die sich mehr für den Zustand ihrer Fingernägel, als für ein gutes Buch, interessiert haben. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist es eigentlich eine Schande, dass wir keinen Kontakt gehalten haben. Ich will gerade ihre Nachricht beantworten, als sie mich schon per Chat anschreibt.
     
    Nadine P.: Emma? Bist das wirklich du?
    Emma Lennartz: Wenn du die Nadine Prinz bist, mit der ich zur Schule gegangen bin, dann ja.
    Nadine P.: Die bin ich. Aber ich heiße jetzt nicht mehr Prinz. Mein Nachname ist Paul.
    Emma Lennartz: Paul? Sag mir nicht, du hast Markus geheiratet? Markus Paul?
    Nadine P.: Genau den. Frag mich nicht, wie das passiert ist.
    Emma Lennartz: Ehrlich? Der Markus? Auf den so
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