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Nichts

Nichts

Titel: Nichts
Autoren: Ben Louis
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       Das ist der Startschuss!
       Sofort überschlagen sich die Fragen der Reporter. Alle brüllen wild durcheinander, fuchteln mit ihren Armen und drängen buchstäblich in einer Stampede vor zum Rednerpult. Ein Rudel wilder Löwen stürzt sich zivilisierter auf seine Beute als diese Leute. Nun ist es Harper selbst, der versucht die Horde durch einen Schlag auf den Mikrophonstrauß zu bändigen. Prompt dröhnt ein grelles Quietschen welches allerdings nicht die offensichtlich erwartete Wirkung zeigt. Sichtlich irritiert beugt sich Harper deshalb nah an die Mikrophone und ruft laut:
       »Moment, Moment… nein! Das war’s noch nicht. Ich bin noch nicht fertig .«
       Keine Chance!
       Weder er noch seine Begleiter können die unwillige Menge ein zweites Mal zügeln. Mikrophone stoßen gegeneinander, Kameras fallen ebenso um wie ein paar Anwesende, die nicht schnell genug reagieren. Nur mit großer Mühe können die Männer der Security die Menge davon abhalten das Pult umzureißen. Die Akteure der Pressekonferenz verlassen nun hastig die kleine Bühne. Bis auf Harper, der vergebens bemüht ist seine Botschaft doch noch irgendwie preiszugeben, als auch er endlich von einem bulligen Mann in Sicherheit gezerrt wird.
       Die PK wurde soeben unterbrochen , ertönt eine lethargische Stimme im Sekundentakt aus den Lautsprechern.
       » Die PK wurde soeben unterbrochen . «  
     
    An diesem Punkt schalte ich den Fernsehapparat aus. Bin alt genug um zu wissen, dass bei den folgenden Analysen im Wesentlichen Spekulationen, Ausreden und politisches Geplänkel vorgetragen wird. Nichts also, was mir sinnvolle Informationen liefern könnte. Überdies ist es bereits kurz vor elf. Ich werde also bis zum nächsten Morgen warten müssen, um wirkliche Fakten zu erfahren.

     
    Julie dürfte eh schon angefressen sein. Immer wenn ich etwas später ins Bett komme, scheint Sie leicht pikiert. Das liegt daran, dass wir beide - ich muss mich da durchaus mit einschließen - ohne den anderen nicht einschlafen können. Wir brauchen den gegenseitigen Körperkontakt - auch wenn es nur der große Zeh des anderen ist, den man unter dem Bettlaken spürt. Ein Ritual der Erdung, wie ich vermute.
       Ich lösche das Licht und schleiche mich im Dunkeln noch für einen kurzen Moment rüber ans Fenster. Auch eines meiner täglichen Rituale. Von hier, aus meinem Arbeitszimmer, hat man einen schönen Blick über unser kleines Grundstück. Es ist nicht gerade so, dass man sich, wenn man in einer Metropole wie Chicago lebt, zwangsläufig wie in einer Großstadt fühlt. Ich komme mir tatsächlich viel mehr wie auf dem Lande vor – allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass es bei uns in der Nacht nie wirklich dunkel wird.
       Nun, wir haben das große Glück in Lake Forrest wohnen zu dürfen, dem Herzen des so genannten North Shore von Chicago . Genauer gesagt an der verträumten Indian Hill Way Rd. Dass unser Haus dort eher zu den kleinen, unscheinbaren zählt, stört weder Julie noch mich. Ganz im Gegenteil. Viel wichtiger sind uns die zahllosen Laubbäume, welche auch unser Grundstück - zumindest im Sommer - vor den Blicken der Nachbarn zuverlässig schützen. Überwiegend Roteichen und Robinien . Eine sensationelle Wohngegend. Zum Lake Michigan läuft man gerade mal fünfzehn Minuten. Nach einer anschließenden Runde durch den Centennial Park – dem Park mit dem atemberaubendsten Blick über den See - ist man schon nach einer dreiviertel Stunde wieder zu Hause.
       Allerdings ist es nicht mein Verdienst, dass wir in dieser bezaubernden und vor allem sicheren Gegend wohnen können. Zumindest nicht meinem finanziellen Vermögen geschuldet, welches ich gar nicht besitze - auch wenn dies viele unserer Bekannten aufgrund der exklusiven Wohnlage vermuten. Es ist mein Arbeitgeber, dem ich das alles zu verdanken hab.
       Dem American Department of Energy , kurz ADE .
       Als Teilchenphysiker und Antimateriespezialist arbeite ich am Fermi National Accelerator Laboratory - oder kurz Fermilab - einem staatlichen Forschungszentrum für Teilchenphysik. Es liegt eine knappe Autostunde westlich von hier, im Batavia County und beherbergt das Tevatron . Tevatron ist - oder war - der erste Teilchen- und Protonenbeschleuniger. Lange schon in Betrieb, noch bevor das Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire in Europa mit dem Large Hadron Collider Schlagzeilen machen sollte.
       Mein Aufgabenbereich ist die wissenschaftliche
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