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Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition)

Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition)

Titel: Nicht den Ängsten folgen, den Mut wählen: Denkstationen eines Bürgers (German Edition)
Autoren: Joachim Gauck
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europäische Öffentlichkeit schon zu stimulieren versuchen mit Beilagen aus anderen Ländern, mit Schwerpunktthemen zu Europa und vielen guten Ideen. Aber bitte mehr davon – mehr Berichterstattung über und mehr Kommunikation mit Europa!
    Kommunikation ist für mich kein Nebenthema des Politischen. Die ausreichende Erläuterung der Themen und Probleme ist vielmehr selbst Politik. Eine Politik, die mit der Mündigkeit der Akteure in der Agora rechnet und sie nicht als untertänig, desinteressiert und unverständig abtut.
    Mehr Europa heißt für mich: mehr europäische Bürgergesellschaft. Ich freue mich daher, dass 2013 das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger ist. Ich würde nicht in allen Einzelheiten so weit gehen wie die Autoren in ihrem »Manifest für eine Neugründung Europas«, aber ich hege große Sympathien für die Überschrift, unter der sich viele Unterstützer schon versammelt haben: »Frage nicht, was Europa für dich tun kann, frage vielmehr, was du für Europa tun kannst!« Der Europäer Gauck hat sich seine Antworten auf eine Liste geschrieben.
    Erstens: Sei nicht gleichgültig!
    Brüssel mag weit weg sein, aber die Themen, die dort verhandelt und beschlossen werden, gehen jede und jeden an. Es darf uns nicht egal sein, wie die EU auf Standards Einfluss nimmt, die dann bei uns im Kinderzimmer oder auf dem Esstisch wirken. Es darf uns nicht egal sein, welche Maßstäbe wir anlegen an die Außen-, Sicherheits-, Umwelt- und Entwicklungspolitik, die eben auch in unserem Namen stattfindet. Es darf uns nicht egal sein, wie die EU mit Menschen umgeht, die aus politischen Gründen ihr Land verlassen müssen.
    Zweitens: Sei nicht bequem!
    Die Europäische Union ist kompliziert, weil sie auch Kompliziertes leisten soll. Sie hat es verdient, dass ihre Bürgerinnen und Bürger Interesse zeigen und sich informieren. Sie hat es verdient, dass mehr als dreiundvierzig Prozent der Wahlberechtigten an der Europawahl teilnehmen. Und sie hat es nicht verdient, dass Brüssel zum Sündenbock gemacht wird, wo nationale Interessen oder nationales Versagen Fehlentwicklungen verursacht haben.
    Drittens: Erkenne deine Gestaltungskraft!
    Ein besseres Europa entsteht nicht, wenn wir die Verantwortung dafür immer nur bei anderen sehen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Wer etwas anstoßen oder verhindern will, der nutzt die Europäische Bürgerinitiative. Wer etwas gründen oder bauen will, der kann einen Förderantrag stellen. Und wer Gutes tun und seine Nachbarn kennenlernen will, der bewirbt sich beim Europäischen Freiwilligendienst. Jede und jeder kann einen Grund finden für den Satz: Ja, ich will Europa! Wer kennt diesen Ausruf besser als Sie hier im Saal?
    Mein Dank richtet sich heute an so viele, angefangen mit den Europabotschaftern über die Europaaktivisten in Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft bis hin zu den besonders fantasievollen Betreuerinnen in bilingualen Kitas der Euroregionen. Ich danke allen, die Europa auf tausendfache Weise wirtschaftlich, sozial und kulturell vernetzen. Wichtig ist mir auch der Dank an unsere deutschen Politikerinnen und Politiker, die ihre nationalen Aufgaben immer mit unserer europäischen Verpflichtung verbunden haben. Besonders danke ich denen, die beim Begriff Solidarität nicht allein die Sorge um den Besitz der Besitzenden geleitet hat.
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    gerade wir Deutschen wissen tief in unserem Innern, dass da etwas ist, was uns mit Europa in besonderer Weise verbindet. War es doch unser Land, von dem aus alles Europäische, alle universellen Werte zunichte gemacht werden sollten. War es doch unser Land, dem die westlichen Siegermächte trotzdem gleich nach dem Krieg Hilfe und Solidarität zuteil werden ließen. Uns blieb damals erspart, was nach unserer Hybris leicht hätte folgen können: eine Existenz als verstoßener Fremdling außerhalb der Völkerfamilie.
    Stattdessen wurden wir – was erst recht aus der heutigen Perspektive unerwartet und wunderbar erscheint – Eingeladene, Empfangene, Aufgenommene, Partner.
    Wir kamen zu der beglückenden Erfahrung, dass wir uns selbst achten konnten und von anderen geachtet wurden, als wir »nicht über und nicht unter anderen Völkern« sein wollten. So haben wir uns in unserem Handeln mit Europa verbunden, wir haben uns Europa geradezu versprochen.
    Heute bekräftigen wir dieses Versprechen.
    Wir werden wohl innehalten vor einer neuen Schwelle, werden neu nachdenken. Werden dann aber mit guten Ideen
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