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Niceville

Niceville

Titel: Niceville
Autoren: Carsten Stroud
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drehte sich wieder um. »Kann ich nicht richtig hören – klingt, als würden sie auf ihn schießen – das Stimmengewirr ist zu groß …«
    »Leg es auf den scheiß Lautsprecher, Lady«, sagte Bradley Heath in einem leisen Tennessee-Gesang, die Stimme so weich und tief wie ein Cello.
    Der Ton ließ Shaniqua schnauben, aber sie drückte auf LAUTSPRECHER und das elektrische Knistern des Polizeifunks auf dem Kanal der State Police erfüllte den Laster.
    »… ich bleibe dran Jimmy der wird immer …«
    »Wiederhole Rückzug Charlie Six Rückzug …«
    »Negativ Jimmy der schießt einfach weiter …«
    Ein scharfer Knall, unterlegt mit einem rollenden Donner, dann ein zweiter Knall, alles im Hintergrund von Reeds Funkspruch.
    »Ich gehe vom Gas, aber er auch – habe eben noch zwei Treffer in der Windschutzscheibe – er lehnt sich aus dem Beifahrerfenster – das ist der Wahnsinn – ich kann nicht einfach zusehen, wie er mich fertigmacht – ich rücke vor und schalte ihn aus …«
    »Negativ, Charlie Six …«
    Wieder Reed, ruhig, aber adrenalingeladen.
    »Ich bin direkt neben dem Super Gee – alles voller Trucker – stehen einfach am Straßenrand – er kann sie jeden Augenblick unter Feuer nehmen – oh mein Gott – Bremslichter, Bremslichter – der Typ will mich ausbremsen – ich gehe voll in die Bremsen – oh Mann, da kommt er …«
    Reed ließ das Mikrophon eingeschaltet, sagte aber nichts mehr.
    Sie hörten Sirenengeheul, dann ein ungeheures metallisches Scheppern, noch eins – Reed, der fluchte, mit zusammengebissenen Zähnen, die Stimme ein heiseres Knurren – und dann das Klirren und Rumpeln von etwas, das sich auf dem Highway überschlug – etwas Großem aus Blech – das ohrenbetäubende Kreischen von Metall auf dem Straßenpflaster – Reeds Übertragung brach abrupt ab und im Laster der Marshals machte sich plötzlich angespanntes und schmerzliches Schweigen breit.
    Nach einer langen Pause beschloss Deitz, dies sei der richtige Augenblick für einen aufmunternden Kommentar.
    »Hey Nick«, sagte er, ganz freundlich im Ton, »klingt, als hätten sie deinem Jungen gerade das Lichtlein ausgeblasen …«
    Nick trat zu ihm – Deitz kam auf die Beine, mit rasselnden Ketten, hob die schweren Fäuste und ging in eine Boxerhaltung, defensiv, das Kinn gesenkt – Nick ignorierte diesen ganzen Queensberry-Scheiß und trieb seine Faust über Byron Deitz’ Deckung mitten auf den pelzigen kleinen Flecken zwischen dessen Augenbrauen, spürte Deitz’ Nase brechen wie eine Walnuss, spürte die Wirkung seines Schlages ganz bis in den Arm hinauf, in die Brust- und Deltamuskeln und dann bis hinunter an die Hüften.
    Deitz fing unter Nicks Schlag an zu schielen, seine dicken Beine gaben unter ihm nach und er donnerte mit dem Kopf an die Wand des Marshal-Lasters, was eine Art Glockenklingeln erzeugte. Deitz kam wieder hoch, mit blutender Nase, aber jetzt rutschte er weg.
    Nick trat zurück und ließ ihn hinfallen.
    Eine schrille Frauenstimme brüllte ihn an, und als er sich umdrehte, sah er Shaniqua, die sich abgewandt hatte und mit einer dicken Faust an das Drahtgitter schlug. Bradley Heath brüllte sie an und versuchte, sie am Arm zu packen …
    »He, du kannst nicht auf meinem scheiß Gefangenen rumprügeln …« Aber der Celloklang des verblüfften, geradezu ehrerbietigen Ach du Scheiße von Bradley Heath würgte sie ab und alle außer Byron Deitz drehten sich um und blickten hinaus auf die Straße, wo sich eine schlanke bernsteingelbe Gestalt mit braunen, weiß eingefassten Augen zu einem Rendezvous mit ihrer Windschutzscheibe in die Lüfte erhob.
    »Hirsch – ein Hirsch!«, hörte Nick Bradley Heath heiser knurren, während der Laster erzitterte und in die Knie ging – Nick kam ins Taumeln und griff nach der Strebe zu seiner Linken – Heath ging mit steifen Beinen in die Bremsen und die wabbeligen Reifen gaben den Geist auf … alles schien stillzustehen … Nick sah, wie sich unter dem Pelz des Hirschs die Muskeln abzeichneten, sah den Terror in seinem aufgerissenen braunen Auge … ein Herzschlag … noch einer – der Bock schlug voll auf die Windschutzscheibe auf, 120   Kilogramm strammes Muskelfleisch und Knochen krachten in eine große plane Glaswand, die sich mit 100   Stundenkilometern vorwärtsbewegte. Man konnte die Folgen nur spektakulär nennen.
    Die Windschutzscheibe zersprang in einen Regenschauer aus Glasperlen, als der Hirsch einschlug. Der Kadaver knallte Bradley Heath und
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