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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Autoren: Jörg Kastner
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lange der Baum hier stand. Es hatte ihn schon gegeben, als die Urväter die Burg errichteten, rings um den Baum der Götter – den Kinderbaum.
    Mit seinen Glück spendenden Früchten räucherte man bei Entbindungen. An seinem Stamm klammerten sich die Gebärenden fest, um die Kraft der Götter zu spüren. Auf diese Weise waren mächtige Recken zur Welt gekommen, Könige!
    Es war längst vorbei.
    So wie die Zeit, in der die Menschen an ihre wahren Götter glaubten und sie ehrten, wie es ihnen gebührte.
    Ehrfürchtig schritt der Mann zwischen den halb zu Staub zerfallenen Tafeln und Bänken hindurch, bis er so dicht an dem mächtigen Stamm stand, daß er nichts anderes sah. Er atmete tief durch und preßte seine Handflächen gegen die rissige Borke.
    Der Stamm der alten Eiche fühlte sich kühl wie die Erde an, doch gleichzeitig ging ein Brennen durch seine Hände, die Arme, den ganzen Leib, und erfaßte sein Herz. Er fühlte, daß hier seine Heimat war, nicht in den Kirchen des Christen.
    Nur widerwillig ließ er den Baum los und nestelte mit zitternden Fingern den Lederbeutel auf, der an seinem Gürtel gehangen hatte. Er bückte sich und schüttete den Inhalt auf das feste Erdreich, zwischen die mehr als beinstarken Wurzeln des Kinderbaums. Es war grauschwarzer Staub.
    »Dies ist Asche vom Haus des falschen Gottes«, sagte der Rächer feierlich. »In der letzten Nacht brachte ich ihm den Flammentod, dir zu Gefallen, mächtiger Feuergott. Du siehst, ich habe deine Rufe erhört.«
    Er blickte an dem Stamm hinauf zur Baumkrone, die den Himmel fast gänzlich verdeckte.
    Doch die erhoffte Antwort blieb aus.
    Da zog er den Dolch und stieß ihn tief ins Erdreich, mitten in die Asche.
    »Und dies ist die Klinge, die einem Christenpriester das Leben raubte, geführt von meiner Hand, mächtiger Gott der Flammen. Er soll nur der erste sein von vielen, die ihren falschen Glauben und ihren Verrat an dir elend büßen!«
    Die Augen des Rächers weiteten sich, als mit dem Dolchstahl eine seltsame Veränderung vor sich ging. Er begann zu glühen, erst nur schwach, schließlich so stark, daß die Hitze den Mann schwitzen machte. Und die Asche zerfloß, wurde zu einer roten Lache.
    Zu Blut!
    Langsam streckte der Mann seine Hand aus und berührte das Blut. Es war heiß, glühend heiß. Und doch verbrannte es seine Hand nicht. Es schien durch die Haut hindurchzugehen, geradewegs in seinen Leib, der den roten Saft aufsog, bis die Lache verschwunden war und nur noch der Dolch im Boden steckte.
    Das Glühen war in dem Mann, ließ ihn eins werden mit dem Feuergott, dessen Namen er wieder und wieder in die Nacht hinausschrie. Die Schreie übertönten das hysterische Gewieher des Rappen, der wie von Sinnen an den Zügeln zerrte. Doch er kam nicht los von dem alten Brunnen und sprang in Todesangst hin und her, hin und her…
    Sein Reiter beachtete das Tier nicht, hörte nicht einmal sein Wiehern. Für ihn zählte nur die Macht, die ihn erfüllte: die Macht des Feuergottes!
    Er war eins mit dem mächtigen Gott. Oder war er nur sein Werkzeug?
    Machte das überhaupt einen Unterschied? Wichtig war nur, daß durch seine Hände – die Hände des Rächers – die Macht der alten Götter zurückkehren würde.
    Die Zeit der Rache, die Zeit der Zerstörung war gekommen!

Kapitel 1
     
    a, das Eisen muß glühen, heiß sein wie der Tod im letzten Augenblick des Menschenlebens!«
    Graf Reinhold von Glander, Schmied mit Leib und Seele, stieß die Worte mit Inbrunst hervor, während er sein hageres, grobknochiges Gesicht ungeachtet der aufstiebenden Funken über die Esse beugte, in der die große Klinge glühte. Auch der hochgewachsene Jüngling, dessen in ledernen Handschuhen steckende Hände den Knauf des neuen Schwertes hielten, trotzte der atemraubenden Hitze und blickte mit zusammengekniffenen Augen in die rotgelbe Glut. Wieland hatte die Hände um die beiden Griffe des großen, zweifachen Blasebalgs gelegt und entfachte den Brand der Kohlen mit jedem Druck seiner muskelbepackten Arme aufs neue.
    Noch roter als die Kohlen glühte das Eisen, das Siegfried hielt. Fast schien es, als wolle es schmelzen und im großen Becken der Esse zerlaufen.
    »Jetzt, Meister?« fragte der junge Schmiedebursche mit vor Erregung zitternder Stimme. Es war beileibe nicht das erste Schwert, das er schmiedete, aber bei weitem das wichtigste.
    »Noch nicht«, erwiderte Reinhold mit einer Ruhe, die Siegfried unbegreiflich war.
    »Aber das Eisen glüht dunkelrot, genau in
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