Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
dann schlug Feuer hoch, leckte mit gierigen Zungen nach seinen Händen. Innerhalb weniger Augenblicke verwandelte sich der große Strohkästen in eine einzige Lohe.
    »So ist es gut«, seufzte der Rächer.
    Er packte brennende Strohbündel und warf sie in den Stall hinein.
    Der Hunger der Flammen kannte keine Grenzen. Je stärker sie sich ausbreiteten, desto mehr verschlangen sie, bald nicht mehr nur Stroh und Holz, sondern auch lebendes Fleisch. Die Schreie der Kühe, Esel und Ziegen erweichten das Feuer ebensowenig wie den Rächer, der keine Gnade kannte.
    Er lief hinaus, an den beiden Leichen vorbei, und erkletterte am Seil die Vorratskammer. Auf dem Dach zog er das Seil ein, befestigte es an der anderen Seite und stieg hinunter.
    Wieder blieb er vor den Fenstern des Dormitoriums stehen und lauschte auf die Schlafgeräusche der Christenmönche. Ihr friedlicher Schlummer würde nicht mehr lange währen…
     

     
    In der folgenden Nacht hatten sich die Wolken verzogen. Mond und Sterne warfen ihr blaßgelbes Licht auf das Land am Niederrhein, doch hier im Königswald herrschten die Schatten. Der Rächer lächelte, als er an das verzweifelte Läuten der Stiftskirche dachte und an das vergebliche Bemühen der Mönche, die Flammen zu löschen. Auch die zu Hilfe eilenden Kaufleute aus der nahen Siedlung brachten keine Rettung. Sie kamen viel zu spät. Die Flammen fraßen den Viehstall, die anliegenden Geräteschuppen, und griffen dann auch auf das Gebälk der steinernen Gebäude über. Mönche, Kaufleute und Knechte arbeiteten die ganze Nacht hindurch, schütteten Eimer auf Eimer ins Flammenmeer. Der Feuerschlund trank das Wasser voller Gier.
    Der Rächer stand nicht weit entfernt unter dem Vordach eines Lagerhauses, lauschte dem Glockengeläut, den Schreien und dem Prasseln der Flammen, deren zuckender Schein die Nacht zum Tage werden ließ. Am Morgen standen nur noch verkohlte Mauern und der verfluchte Glockenturm. Es hieß, er sei nicht mehr zu benutzen und könne jeden Augenblick zusammenstürzen.
    Sollte er doch einstürzen! Der Rächer würde ein Freudenlied darauf singen.
    Er war längst abgestiegen und führte den Rapphengst am Zügel durchs dichte Unterholz. Die Waldgeister eroberten das einst vom Menschen gerodete Land schnell zurück. Warum auch nicht, die Menschen hatten es aufgegeben, als sie ihre Götter verrieten. Und die Burg, einst Stammsitz mächtiger Könige, war nur noch eine verfallene Ruine.
    Im Mondlicht schimmerten die bröckelnden Mauern, Zinnen und Türme bleich wie die Knochen eines riesigen Tieres. Die eines jener Drachen vielleicht, die ebenso verschwunden schienen wie die alten Götter.
    Der Rächer blieb am Rand der einst viel größeren Lichtung stehen und ließ den Anblick auf sich wirken.
    Er erfüllte ihn mit Stolz auf die Vorfahren, die diese Burg errichtet hatten, im Glauben an die Götter.
    Gleichzeitig überfiel ihn Trauer über die neue Zeit, die angebrochen war und die Herzen der Menschen verändert hatte. Sie glaubten jetzt an einen Gott der Liebe und Versöhnung. Doch sie führten noch immer Kriege gegeneinander. Spürten sie nicht, daß dieser angebliche Liebesgott sie nur benutzte, um seine Macht zu stärken und seinen falschen Ruhm in immer weitere Gefilde zu tragen?
    Der Rächer würde dem ein Ende bereiten!
    Er schritt auf das Tor zu und zerrte das unruhig werdende Pferd mit eiserner Hand hinter sich her. Die Zugbrücke war heruntergelassen, der Wassergraben längst ausgetrocknet. Die morschen Bohlen hallten dumpf unter den Schritten von Mann und Tier.
    Er band den ängstlich schnaubenden Rappen an einer Brunnenumfriedung im Hof fest. Das Gestein schien stark genug, um dem nervösen Zerren des Hengstes standzuhalten.
    Der Mann ging weiter und betrat den überdachten Gang, der zur Eichenhalle führte, dem Mittelpunkt der Königsburg. Staubwolken wirbelten unter seinen Stiefeln auf. Mehrmals mußte er Spinnweben aus seinem Gesicht wischen.
    Und hinter ihm wieherte kläglich das Pferd. Er blieb nicht stehen, drehte sich nicht um, kehrte nicht zurück. Fest entschlossen, wie er war, gab es keine Umkehr. Nicht für ihn – den Rächer der Götter!
    Erst beim Anblick des Kinderbaums blieb er stehen. Wie gerade, stolz und mächtig sich der Stamm in den Himmel reckte!
    Der Mann legte den Kopf in den Nacken und sah zu der riesigen Krone hinauf, die das Dach der Eichenhalle war. Schwindel packte ihn.
    Daran war weniger die ungeheure Größe der Eiche schuld als der Gedanke, wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher