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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
Autoren: Meira Pentermann
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dass mein Geburtstag auch bald sein müsste… vielleicht so um den siebzehnten September rum?“
    Er nickte und spielte mit. „Natürlich weiß ich das.“
    „Und auch, was du mir versprochen hast?“
    „Absolut“, log er und hoffte, es ging hierbei nicht um die Antibabypille. Er war sich darüber im Klaren, dass Jugendliche heutzutage viel zu früh Sex hatten, aber da er ein besessener, kinderloser Einsiedler war, hatte ihn die Vorstellung noch nie so sehr schockiert wie in diesem Moment.
    „Der Siebzehnte… das ist am äh…“
    „Donnerstag, Leonard“, sagte seine Frau nüchtern.
    Welcher Tag ist heute?, fragte er sich.
    „Ich habe extra Benzinrationen gespart“, versicherte Alina ihrer Tochter. „Ich werde dafür sorgen, dass er es nicht vergisst.“
    Natalia nickte, scheinbar zufrieden mit dieser Information.
    Die Unterhaltung kam zum Stillstand. Leonard war verwirrt, aber er wollte den Grad seiner Verwirrung nicht offenlegen. Vielleicht hatte er einen Ausflug mit Natalia geplant. Zumindest würde der Kommentar mit den Benzinrationen dann einen Sinn ergeben. Er starrte seine wunderhübsche Tochter dankbar an und wünschte sich, dass der Traum noch so lange dauern würde, dass er herausfinden konnte, worum es ging. Dann wurde sein Gesichtsausdruck plötzlich düster. „Ich hoffe, ich muss mir um dich keine Sorgen machen.“
    „Sorgen machen?“
    „Du weißt schon“, stammelte er. „Wenn deine Freundin…“
    Natalia blickte finster. „Wenn meine Freundin schwanger ist und ihre Freundinnen auch schwanger sind, gehst du einfach davon aus, dass ich die Nächste bin?“
    „Nun ja—“
    „Ich hasse diese Mädchen. Sie denken, sie wären etwas Besseres.“
    „Wie wollen sie sich in dem Alter denn überhaupt um ein Baby kümmern?“, fragte Leonard skeptisch.
    „KASEDU wird sie in einer KBE unterbringen“, sagte Natalia nüchtern. Sie runzelte die Stirn; dann murmelte sie leise etwas vor sich hin.
    Alina kniff die Augen zusammen. „Diese Mädchen sind keineswegs etwas Besseres. Sie sind dumm. Im Krankenhaus haben wir so viele schwangere Teenager.“ Sie schüttelte bedrückt den Kopf.
    Bei dem Wort Krankenhaus fing Leonards Hirn an zu rattern und plötzlich kamen Fakten und Erinnerungen zum Vorschein, die er jahrelang verdrängt hatte. Alina und Leonard hatten sich voneinander getrennt, direkt nachdem sie ihren Bachelor–Abschluss bekommen hatte. Leonard war drei Jahre zuvor mit der Uni fertig geworden, aber wegen des Unfalls, den er verursacht und damit Tommy Richardson in den Tod gerissen hatte, war er immer noch am Boden zerstört und voller Scham gewesen. Er schmiss die Pläne, mit einem Aufbaustudium anzufangen, hin. Stattdessen ging Leonard – ausgestattet mit einem Informatik–Abschluss, Physik im Nebenfach und zahlreichen Arbeitsstunden im Elektroniklabor – seiner neuen Obsession nach. Als Alina ihren Abschluss machte und an der University of Colorado Medical School angenommen wurde, hatte sie einfach die Nase voll von diesem distanzierten, fanatischen Mann, den sie einmal ihren besten Freund genannt hatte.
    Als sie ihn verließ, versuchte er noch nicht einmal, sie aufzuhalten. Eines Abends berührte sie sanft seine Schulter, küsste ihn zärtlich auf die Wange und ging wortlos durch die Tür. Fünfzehn Minuten lang stand er einfach bewegungslos da und überlegte, ob er ihr nachrennen sollte oder nicht. Dann ging er zu seinem Schreibtisch zurück, nahm ein Notizbuch zur Hand und arbeitete drei Tage lang ununterbrochen durch – so konnte er sie aus seinem Kopf verbannen und sich vollständig auf seine aussichtslose Mission konzentrieren.
    „Du bist Ärztin geworden“, sagte Leonard freudig, als er wieder aus seinen Gedanken aufgetaucht war und sich seiner Fantasiefamilie widmete.
    Beide weiblichen Familienmitglieder waren sprachlos.
    Verlegen ergänzte Leonard, „Ich meine, hör auf deine Mutter. Sie ist Ärztin. Du hast später noch genügend Zeit für Jungs. Du kannst eine Familie gründen, wenn du älter und klüger bist.“
    „Eine Familie?“, erwiderte Natalia verwirrt.
    Im selben Moment öffnete sich eine Tür und jemand war im Eingangsbereich zu hören.
    Alina rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Garrett“, rief sie den Flur hinunter. „Soll ich dir den Hackbraten noch mal aufwärmen?“
    Ein schlurfendes Geräusch näherte sich. Leonard schaute über seine Schulter und sah, wie ein Teenager in den Raum gelatscht kam. Er trug eine zerrissene Jeans und
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