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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn
Autoren: Marcia Muller
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elf Uhr im Restaurant bleiben.«
    Ich dachte an meine Pläne für den
heutigen Abend. Mein Freund Don Del Boccio wollte zum Abendessen zu mir kommen,
aber anschließend hatte er noch eine Sendung in der Rundfunkstation, in der er
als Discjockey arbeitete. Von neun Uhr an wäre ich mir selbst überlassen. »Das
geht schon in Ordnung«, erklärte ich also. »Ich bin auch an späte Zeiten
gewöhnt.«
    »Danke, Miss McCone.« Lan lächelte zum
erstenmal, ein schüchternes, irgendwie nervöses Lächeln, das den Entschluß in
mir verstärkte, ihr und den anderen Hausbewohnern zu helfen, wenn ich konnte.
Dann umwölkten sich ihre Augen, und sie fuhr sich mit den Händen an die Brust.
»Ich hoffe wirklich, Sie können etwas für uns tun. Es ist alles so
erschreckend.«
    Carolyn sprach in Vietnamesisch
beruhigend auf sie ein.
    Lan Vang schaute sie an und erklärte:
»Ich weiß; das sagt Sallie Hyde uns auch immer. ›Es gibt nichts, wovor man
Angst haben muß.‹ Ich wünschte nur, ich könnte es glauben.«
     
     
     

ZWEITES
KAPITEL
     
    Carolyn und ich verabschiedeten uns von
den Vangs und gingen schweigend zum Fahrstuhl. Als sich ihre Tür geschlossen
hatte und wir außer Hörweite waren, sagte ich: »Was meinst du, wie ernst dieses
Problem ist?«
    »Ernst genug, um mich dazu zu bringen,
das Geld des Centers für deine Nachforschungen aufzuwenden. Das sind keine
wirklichkeitsfremden Leute; sie haben in ihrem Leben schon echte Gefahren
kennengelernt und bilden sich nichts ein. Ich glaube, jemand versucht aus
irgendeinem Grund, ihnen angst zu machen, und ich möchte dem ein Ende
bereiten.«
    Ich nickte und schaute den Korridor
entlang in beide Richtungen, versuchte ein Gefühl dafür zu bekommen, wie der
Grundriß des Hotels war. An dem Ende, an dem sich die Wohnung der Vangs befand,
leuchtete das Notausgang-Schild über einer Tür, die vermutlich zum Treppenhaus
führte, in dem die furchterregenden Schatten lauerten. Am anderen Ende, vor
uns, öffnete sich ein Fenster auf einen Luftschacht; durch das Fenster konnte
ich die schmierige Steinmauer des Nachbarhauses sehen. Vier Türen gingen auf
der Seite vom Flur ab, die zur Eddy Street hinaus lag, aber nur zwei auf der
gegenüberliegenden. Die Wohnungen auf der Vorderseite waren wahrscheinlich
Ein-Zimmer-Wohnungen oder Studios, während jene nach hinten hinaus — von denen
die Vangs eine bewohnten — über zwei Schlafzimmer verfügten. Der Fahrstuhl
befand sich in der Mitte des Gebäudes, auf halbem Weg zwischen den beiden
rückwärtigen Wohnungen.
    Carolyn drückte auf den Knopf des
Fahrstuhls und sagte: »Ich glaube, du solltest die Hausmeisterin, Mrs. Zemanek,
kennenlernen und dir dann das Haus ansehen.«
    »Gut. Aber ehe wir sie aufsuchen,
erzähl mir etwas von Mrs. Zemanek.«
    »Da gibt es eigentlich nicht viel zu
erzählen.« Der Fahrstuhl kam, die Tür öffnete sich drei Inches und blieb dann
so stehen. Carolyn seufzte und schob sie ganz auf, kämpfte dann mit dem
Eisengitter. »Kein Wunder, daß er zwischen den Stockwerken steckenbleibt.« Sie
winkte mich in den Korb und meinte dann: »Nun, was also Mrs. Zemanek angeht.
Sie ist eine Lady von ungefähr siebzig Jahren, die mit diesem Job ihre
Sozialhilfe aufstockt. Ich glaube nicht, daß er viel einbringt, aber auf jeden
Fall gehört freie Wohnung dazu. Mrs. Zemanek scheint die meisten Mieter
wirklich zu mögen, und sie ist auch den Vietnamesen gegenüber nicht feindselig
eingestellt — was man nicht überall hier im Tenderloin findet — , aber wenn es
zum Streit kommt, neigt sie dazu, sich auf die Seite des Besitzers zu
schlagen.«
    Mit einem Hüpfer kam der Fahrstuhl unten
an. »Hat es das oft gegeben?«
    »Ziemlich. Wie gesagt, Mrs. Zemanek
braucht die Stelle, um ihre Einkünfte durch die Sozialhilfe zu verbessern, und
sie ist nicht bereit, sich auf irgend etwas einzulassen.«
    Carolyn führte mich vom Fahrstuhl zu
der Tür neben der verlassenen Rezeption. »Mrs. Zemaneks Wohnung.« Sie klopfte,
und Sekunden später wurde von einer kleinen Frau die Tür geöffnet. Ihr kurzes
weißes Haar war in feste schneckengleiche Locken gelegt. Sie schaute Carolyn
an, und dann musterten mich ihre blaßblauen Augen vom Kopf bis zu den Füßen.
    »Dann wollen Sie also diese Dummheit
wirklich fortsetzen«, sagte sie mit tiefer Stimme, die vom Alter belegt war.
    »Wenn Sie damit meinen, daß ich der
Sache hier auf den Grund gehen will, dann haben Sie sicherlich recht, ja.«
Carolyns Worte klangen hart; ich vermutete, daß sie
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