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Nette Nachbarn

Nette Nachbarn

Titel: Nette Nachbarn
Autoren: Marcia Muller
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Familienoberhaupt.«
    Mrs. Vang schüttelte mir förmlich die
Hand.
    »Auf dem Sofa«, fuhr Carolyn fort,
»sitzen ihre Töchter — es ist leichter, wenn ich dir die amerikanischen Namen
nenne, die sie sich selbst ausgesucht haben — Amanda, Susan und Dolly.«
    Die jungen Frauen nickten gleichzeitig.
Sie waren schätzungsweise zwischen vierzehn und neunzehn Jahre alt und trugen
Jeans und Sweater — typische Mädchen.
    »Neben Amanda, das ist Duc Vang«, fuhr
Carolyn fort.
    Ein junger Mann Anfang Zwanzig mit
merkwürdigem Bürstenhaarschnitt betrachtete mich ernst.
    »Hallo, Duke«, sagte ich und mußte
plötzlich an John Wayne denken.
    Duc mußte aufgefallen sein, daß ich den
Namen ein wenig anders aussprach, denn er erklärte: »Das heißt D-u-c. Viele
Leute glauben, daß ich einen amerikanischen Namen angenommen habe, bis sie
sehen, wie er sich schreibt.«
    Carolyn deutete auf das andere Ende des
Sofas, wo ein pausbäckiger Junge von zehn oder elf Jahren auf der Armlehne
hockte. »Das ist Billy Vang.«
    Billy verzog das Gesicht und grinste
schrecklich. Seine Mutter hinter mir gab einen zischenden Laut von sich.
    »Billy ist der Komiker der Familie«,
erklärte mir Carolyn. »Jetzt kommen wir zu denen am Boden. Das Baby ist Renee,
und neben ihr sitzt Jenny.«
    Jenny hatte ungefähr Billys Alter und
war ebenso rund. Sie zeigte jedoch bessere Manieren und lächelte artig.
    Carolyn wandte sich mir zu. »Da hast du
nun also die ganze Familie. Fleute sind alle daheim geblieben, weil dies eine
äußerst wichtige Konferenz darstellt.«
    »Verstehe.«
    »In der vietnamesischen Kultur ist die
Familie wichtig. Jeder hat bei Entscheidungen ein Wort mitzureden, und in
schwierigen Zeiten unterstützt einer den anderen. Deshalb ist es natürlich, daß
sie jetzt alle anwesend sind, mit Ausnahme von Mr. Vang, der das Restaurant
geöffnet halten muß.«
    Duc stand abrupt auf. »Ich werde Miss
McCone einen Stuhl holen.« Er verließ das Zimmer und kam gleich darauf mit
einem hochlehnigen Stuhl zurück, den er neben mir abstellte. »Bitte«, sagte er
und deutete darauf.
    Ich setzte mich, und Carolyn quetschte
sich neben Dolly auf die Couch. »Wir haben besprochen, wie wir vorgehen sollen,
und entschieden, daß Mrs. Vang das Problem umreißen wird. Die anderen werden
helfen, wenn es angemessen erscheint. Sie sprechen alle gut Englisch, und nur
für den Fall, daß es Schwierigkeiten gibt aufgrund feinster
Bedeutungsunterschiede bin ich zum Dolmetschen hier.«
    Ich nickte. Carolyn, so fand ich, hatte
bereits ihren Teil geleistet, indem sie die Familie im Zusammenhang mit ihrer
Kultur dargestellt hatte, wobei es so ausgesehen hatte, als hätte sie sie nur
höflich vorgestellt.
    Mrs. Vang war an der Tür stehen
geblieben; jetzt ließ sie sich graziös zu Boden sinken, die Beine zu einer
Seite gelegt. Das Baby, Renee, gurgelte vergnügt und fing an, auf sie
zuzukrabbeln. Lan Vang streckte die Hände aus und zog das Kind zu sich, während
sie anfing, in sorgfältigem Englisch mit starkem Akzent zu erzählen.
    »In diesem Hotel gibt es schlimmen Ärger,
und meine Familie wurde...« Sie brach ab, schaute Carolyn an, sprach dann aber
aus eigenem Antrieb tapfer weiter. »Wir sind von den anderen hier ausgesucht
worden, um etwas zu unternehmen.«
    Nachdem sie einen Augenblick schwieg,
schaute auch ich hilfesuchend zu Carolyn hinüber. Sie sagte schnell etwas auf
vietnamesisch, und Lan Vang fuhr fort.
    »Das Problem besteht darin, daß jemand
versucht, uns angst zu machen. Da gibt es Geräusche im Keller, wo der Ofen
steht. Seltsame Geräusche. Und Schatten im Treppenhaus. Und das Licht geht
aus.«
    »Stromausfälle«, bemerkte Carolyn.
    »Ja, Stromausfälle. Die Leute stecken
im Fahrstuhl fest und können nicht hinaus.«
    Mir fiel Sallie Hydes Bemerkung ein,
daß der Fahrstuhl schon seit ein paar Tagen nicht einmal mehr steckengeblieben
war. »Wann hat das angefangen?«
    Lan Vang warf einen Blick auf ihren
Sohn Duc. Der erzählte: »Ungefähr vor einem Monat. Zuerst waren es Geräusche.
Wir dachten, vielleicht ist etwas mit dem Brenner nicht in Ordnung. Dann fingen
die Stromausfälle an. Von den Stadtwerken kam schließlich einer zur
Überprüfung, und der erklärte, jemand würde den Strom mit dem Hauptschalter
ausschalten.«
    »Können Sie die Geräusche im Keller
beschreiben?«
    »Stöhnen. Heulen. Fast so, als wäre ein
wildes Tier dort unten eingesperrt.«
    »Ist irgend jemand hinuntergegangen, um
es sich anzuschauen?«
    »Der Manager,
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