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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel
Autoren: Else Ury
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nahm. Silber, Kristall, herrliche Früchte und Blumen. Auf letztere legte die Frau des Hauses ganz besonderen Wert. Als sie vor Jahren, als junge Frau, das Tropenland betreten hatte, kannte man dort Blumenschmuck bei den täglichen Mahlzeiten nicht. Man war in Amerika ausschließlich auf das Praktische eingestellt. »Die Hauptsache, es ist etwas Gutes für den Magen auf dem Tisch, mein Kind«, pflegte sich die Schwiegermutter, in deren Hause man zuerst gewohnt hatte, zu äußern, wenn die junge Frau zu jeder Mahlzeit die schönsten Tropenblüten des Gartens geschmackvoll in eine Vase ordnete. Das war gerade das Gegenteil von dem, was sie daheim im deutschen Elternhause kennengelernt hatte. »Auch die einfachste Mahlzeit mundet einem noch einmal so gut, wenn sie nett angerichtet ist, wenn der Tisch zierlich gedeckt ist und Blumen ihn schmücken.« So hatte Ursels Mutter jenseits des großen Wassers den Kindern von klein auf eingeprägt. Auch hierin, wie in vielem anderen, wurde die junge Deutsche den brasilianischen Frauen ein Vorbild.
    Milton Tavares liebte diese Stunde der gemeinsamen Mahlzeit, die er gern im Kreise seiner engsten Familie verlebte. Heute war es ganz besonders gemütlich, da Miß Smith nicht an dem Essen teilnahm. Keiner konnte es sich verhehlen, daß die Anwesenheit der steifen Engländerin stets etwas lähmend auf die Stimmung wirkte. Anita gab dem auch unverhohlen Ausdruck.
    »Schade, daß Migräne nur vierundzwanzig Stunden anhält. Sie müßte ebenso viele Monate dauern!« wünschte die junge Dame.
    »Pfui, Nita, die arme Miß!« rief ihre Zwillingsschwester. »Zum Sterben elend fühlt sie sich, sagte sie mir soeben, als ich mich nach ihr umsah. Sie sah so weiß aus wie das Tischtuch.« »Das ist die Strafe dafür, daß sie uns mit ihren langweiligen Anstandsregeln so arg peinigt. O shocking indeed, Anny!« Das blühende, lustige Gesicht des jungen Mädchens nahm im Augenblick grämlichen Ausdruck an.
    Milton Tavares lachte. Die sprühende Anita hatte nun einmal einen Stein bei dem Vater im Brett. Er verzog sie arg. Eigentlich aber alle drei. Frau Ursel konnte nichts dagegen ausrichten, trotz all ihrer Energie. Sie drohte der Übermütigen.
    »Miß Smith wird wohl bei dir alle Ursache zu ihren Shockingausrufen haben, Nita. Du bist wie ein junges, ungebärdiges Füllen, das nur zu oft über die Stränge schlägt. Meine einzige Hoffnung sind die Großeltern in Deutschland. Daß die noch etwas Vernünftiges aus dir machen werden.«
    »Ich bin Amerikanerin!« Anitas kurzes, schwarzes Haargelock flog impulsiv in den Nacken. »Für mich gibt es keine engen europäischen Grenzen - auch bei den deutschen Großeltern nicht!«
    »Aber Nita!« Die Zwillingsschwester vergaß vor Schreck die Palmitopastete mit Oliven, die der Mulatte ihr darbot, zu nehmen. »Nita, du kränkst unsere Mammi«, setzte sie leiser hinzu.
    Anita blinzelte ein wenig unbehaglich zur Mutter hin. Das hatte sie nicht gewollt, die Mutter in ihrem Heimatgefühl verletzen. Nein, sie liebte sie ja mit der ganzen Heftigkeit ihres Temperaments. Aber sie war zu stolz, ein Wort der Entschuldigung zu finden. Zum Glück erklang jetzt Juans Stimmchen dazwischen. Juan hatte in der Kinderstube zu Abend gespeist, durfte aber am Familientisch nicht fehlen. Ab und zu schob ihm der Vater ein besonders leckeres Häppchen in den Mund.
    »Papi, ist das wahr, daß die Palme sterben muß, weil wir die Palmitopastete essen?« fragte der Kleine. »Die Kinderfrau hat es gesagt.« Er blickte zweifelnd auf das Pastetenstückchen, das der Vater ihm darbot.
    »Freilich, die Palme, von der die zartesten Spitzen zur Palmitopastete genommen werden, geht ein. Darum ist dieses Gericht besonders kostbar.« Der Vater ließ es sich schmecken. Sein Söhnchen aber schob das ihm Zugeteilte energisch beiseite.
    »Juan will nicht schuld sein, daß die arme Palme sterben muß. Gib mir lieber Doces, Papi!« Das war der süße Nachtisch. Milton Tavares lachte und nickte seiner Frau belustigt zu. »Ursel, das deutsche Blut verleugnet sich nicht bei unserem Sprößling. Auf mein Konto kommt diese Sentimentalität nicht.«
    Frau Ursel zog ihren kleinen Jungen zärtlich zu sich heran. »Mein Hansi, mein kleiner! Erhalte dir nur dein warmes Herz!«
    »Nein, Mammi, das ist gar kein guter Wunsch. Ein amerikanischer Junge muß kühlen Verstand haben, kein warmes Herz«, ereiferte sich Anita. Sie war ihren Jahren entschieden voraus.
    »Beides, Nita. Beides muß ein tüchtiger Mann
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