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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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enttäuscht werde, dann kann ich für nichts garantieren …«
    Johannas Knie wurden weich. Sie musste sich setzen. Sie plumpste auf die Bettkante. Das Handtuch rutschte runter. Sie brauchte alle Kraft, um das Telefon ans Ohr zu drücken. Es war so schwer, dass sie Angst hatte, es könnte herunterfallen wie das Handtuch.
    »Das … das hast du doch nicht wirklich gemacht?«
    »Lenk jetzt nicht ab. Natürlich war ich das. Ich bin sehr traurig gewesen. Ich hab all die Pärchen gesehen, die da entlangflanierten, die Musik war da, alle waren so glücklich, und ich … ich …« Plötzlich schimpfte er los: »Ist es so schwer für dich zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht hast?«
    Sie hörte sich selber sagen: »Nein, nein, natürlich nicht. Ich entschuldige mich.«
    »Das sagst du doch nur so daher. Das glaube ich dir nicht. Das ist keine richtige Entschuldigung.«
    »Doch, doch, ich entschuldige mich. Natürlich. Ich meine das wirklich ernst.«
    »Dann sag’s mal ganz deutlich. Wofür entschuldigst du dich?«, forderte er.
    Es war warm im Zimmer, doch Johanna begann so zu frieren, dass ihre Knie zitterten. Mit dem Ellbogen versuchte sie, ihre Beine fester auf den Boden zu drücken, doch das Zittern ließ nicht nach.
    »Ich … ich entschuldige mich dafür, dass ich dich habe warten lassen.«
    »Gut. Das ist gut. Aber du wirst mich kein zweites Mal enttäuschen, nicht wahr?«
    »Nein, das werde ich nicht! Ganz bestimmt nicht!«
    »Okay. Bitte komm zum Freimarkt. Da haben sie diesmal eine Riesen-Achterbahn aufgebaut. Es liegen fünf Chips in deinem Briefkasten. Ein Geschenk von mir. Die Achterbahn öffnet heute um 18 Uhr. Ich will, dass du gleich die erste Fahrt machst …«
    Sie konnte kaum noch sprechen. Ihr Mund war ausgetrocknet. »Ich … ich kann nicht mit der Achterbahn fahren. Mir wird schon im Auto auf dem Rücksitz schlecht. Ich hab Höhenangst und …«
    »Ein Geschenk muss man annehmen, Johanna. Das ist sonst eine Beleidigung. Du willst doch nicht, dass ich wieder Dummheiten mache?«

2
    Leon Schwarz empfand Wut und Trauer, wenn er seinen Vater sah. Er bewegte sich in einer beständigen Alkoholwolke. Es kam Leon so vor, als sei sein Vater in einer Art Whiskynebel gefangen. Der Geruch umgab ihn wie eine dunkle Aura, der er genauso wenig entkommen konnte wie seinem eigenen Schatten.
    Sogar seine Statur hatte sich verändert. Seine Schultern hingen herab, der Rücken war krumm, als hätte er zu lange zu viel getragen. Der Bauch wölbte sich vor, spannte das Oberhemd und sprengte die Knöpfe ab.
    Früher wurde er einmal Elvis genannt, wegen seiner Haartolle und weil er so sehr auf sein Äußeres achtete, weil er ein heißer Feger war und Rock ’n’ Roll im Blut hatte.
    Davon war nicht mehr viel übriggeblieben.
    Trudi betonte immer wieder, dass sie kein Hausmütterchen sei, und er solle sich ja nicht einbilden, dass sie ab jetzt für ihn und seinen Sohn das Dienstmädchen spielen würde. Wenn sie sich an Leon wandte, begann sie gern mit den Worten: »Ich bin nicht deine Mutter!«
    Lange hatte Leon das einfach geschluckt und genickt, doch beim letzten Mal hatte er geantwortet: »Nein, das bist du wirklich nicht. Meine Mutter hat nicht den ganzen Tag vor der Flimmerkiste gehockt. Sie hat richtige Bücher gelesen. In dieser Wohnung hier hätte sie sich nicht wohl gefühlt. Hier gibt’s ja nicht mal ein Buchregal. Meine Mutter hätte auch meinen Vater nicht so rumlaufen lassen, und Zigarettenrauch in der Wohnung hätte sie niemals geduldet.«
    Trudi Warkentin rauchte schon morgens. Ihr Frühstück bestand aus einer Tasse mörderisch starken schwarzen Kaffees und zwei Filterzigaretten, die nach Gummireifen mit Moschus dufteten. Leon wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihm die Schuld am Zustand seines Vaters gab. Manchmal sah sie ihn so komisch an, mit so einem vorwurfsvollen Augenaufschlag.
    Leon hatte verstanden, dass sein Vater nicht länger in der Eigentumswohnung in der Prager Straße wohnen wollte. Irgendwie hing die böse Geschichte in den Wänden fest. Im Grunde wollte auch Leon weg aus dem Haus. Nie würde er das Bild seiner im Bett ermordeten Mutter vergessen. Aber fast noch schlimmer war dieser metallische, süßliche Blutgeruch.
    Früher hatte Leon gern frische Fleischwurst auf dem Brot gegessen, heute war ihm das nicht mehr möglich. Er konnte nicht einmal an einer Metzgerei vorbeigehen, ohne dass ihm übel wurde. Er hielt den Geruch nicht aus …
    Aber es hätte Leon gereicht, innerhalb von
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